Karl Nolle, MdL

BILD-Zeitung Dresden, 18.06.2001

Ein Opfer klagt an: "Berghofer hat mich an die Stasi verraten"

Berghofer: "Ich kenne keine Opfer"
 
DRESDEN. „Meine Vergangenheit ist ein Handicap. Aber nach zehn Jahren muss man auch mal einen Schlussstrich ziehen!" Wolfgang Berghufer (57, parteilos) im OB-Wahlkampf 2001. Eine Woche vor der Wahl werden neue Vorwürfe laut.

1987: Berghofer fädelt eine Städtepartnerschaft mit Straßburg (Frankreich) ein. Nach dem Besuch einer Gymnasialklasse aus Strasbourg schreiben am 31. August 1987 drei Dresdner Abiturienten an Berghofer: Bernhard Güttler (Sohn des Star-Trompeters), Marko Hermersdörfer und Torsten Niekisch (damals alle 17).

Die Schüler der EOS „Friedrich Engels" (heute Gymnasium Plauen) bitten, eine Schulpartnerschaft mit dem Straßburger Gymnasium „Lycée International" zu unterstützen. „Da unsere Schulleitung bisher nicht wesentlich weiterhelfen konnte, wenden wir uns an Sie..." Ihre Bitte: Die Anfrage „den zuständigen Organen zur Bearbeitung zuzuleiten."

Berghofer informierte den damaligen Stadtschulrat und bat ihn, die Sache zu klären. Dabei stellte sich heraus: Die EOS-Leitung weiß von nichts. Der Fall landete bei der Stasi. „Berghofer hat uns denunziert", meint Marko Hermersdörfer (heute 31 und Jura-Student). Aus der Stasi-Akte ergibt sich aber nicht, ob der Oberbürgermeister oder Mitarbeiter der Verwaltung (Rat der Stadt, Schulbehörden) die Stasi informiert.

Die Stasi-Bezirksleitung Dresden hatte den früheren IM Berghofer jedoch am 21. Januar 1987 jedoch gerade wieder als Gesellschaftlichen Mitarbeiter (GMS) registriert (Reg: Nr. XII 0090/87, Deckname „Wolfgang“), direkt dem damaligen Chef Generalmajor Böhm unterstellt.

„Ich wurde aufs Wehrkreiskommando bestellt", berichtet Hermersdörfer. „Dort warteten zwei Stasioffiziere auf mich. Sie sagten: Der Oberbürgermeister hat uns beauftragt, in Zukunft solche Schreiben zu unterbinden."

Marko weiter: „Sie setzten mich unter Druck, drohten u.a., ich dürfte nicht studieren. Verlangten in einem weiteren Gespräch, dass ich Familie Güttler und andere Bekannte ausspioniere. Ich lehnte ab."

Sein Lehrer-Studium darf er nicht antreten. Im Juni 1988, nervlich zerrüttet, gerät er am Palaisplatz unter eine Straßenbahn. Ein Bein wird amputiert. „Obwohl das Knochenmark eiterte, wurde ich 16 Wochen lang nicht operiert. Angeblich war kein OP-Saal frei, kein Arzt verfüg bar."

Dann operierte ihn ein Vertrauensarzt der Volkspolizei. „Ich war ihm damals dankbar. Aber er hat an meinem Bein wichtige Muskeln zerstört, die ich für eine Prothese dringend gebraucht hätte. Heute weiß ich, das er für die Stasi arbeitete..."

Marko wurde zum Invaliden erklärt, bekam aber kein Geld: „Ich lebte von meiner Mutter." 1999 las er erstmals seine 250 Seiten dicke Stasi-Akte. „Jetzt weiß ich, dass er der Brief an Berghofer mein Leben zerstört hat.“

Zur anstehenden Wahl meint er: „Bevor er Berghufer sich so leichtfertig selbst verzeiht und wieder um politische Ämter bemüht, soll er erst mal den Schaden, den er angerichtet hat, wieder ausgleichen! Ein Skandal, dass er kandidieren darf!"

Berghofer wollte nichts dazu sagen: „Ich habe keine Lust, dazu Stellung zu nehmen", sagte er pampig. „Ich kenne keine Opfer" - und legt das Telefon auf.
(Dieter Schlüter)