Karl Nolle, MdL
BILD-Zeitung Dresden, 21.06.2001
Wie viel Macht hat der neue OB?
Dresden diskutiert vor der Wahl
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21.06.01
Von WIEBKE MÜLLER
Der Oberbürgermeister-Wahlkampf - vielen Dresdnern gibt er Rätsel auf: Wolfgang Berghofer (58, parteilos tritt ohne Unterstützung einer Partei an. Kann er, sollte er gewinnen, so regieren?
Konkurrent Ingolf Roßberg (40, FDP) vereint gleich sieben Parteien und Initiativen. Wie setzt er sich durch, wenn's Krach gibt?
Die entscheidende Frage vor der Wahl am Sonntag (24. Juni) ist deshalb: Was kann mein Kandidat bewegen, welche Macht hat der OB?
In jedem Fall wird der Wahlsieger Chef von 8 000 Angestellten (bei 12 000 Mark Grundgehalt im Monat). Stadtrat Dr. Albrecht Leonhardt (51, SPD): „Der OB ist oberster Hausherr in der Stadtverwaltung."
Die Beschlüsse fasst aber der Stadtrat, das Parlament Dresdens (70 Mitglieder). Er ist schon gewählt, der neue OB muss sich hier also durchsetzen. Derzeit ist die CDU mit 33 Sitzen die größte Gruppe. Damit sie die Mehrheit bekommt, bildete sie mit FDP und DSU (drei Sitze) eine Koalition.
Der Oberbürgermeister bereitet die Sitzungen nur vor, kann selbst seine Stimme abgeben (zählt normal wie die Stimme jedes Stadtrates). Alle drei Wochen trifft sich der Stadtrat. Zwischen den Sitzungen kann der OB allein regieren.
Laut Gemeindeordnung entscheidet er „Geschäfte der laufenden Verwaltung" (Sicherheit, Ausstattung mit Bürotechnik, Umsetzung von Bau- und Finanzplänen) und in „dringen-den Angelegenheiten". So wurde der Bau der Gläsernen VW-Manufaktur vorab ohne den Stadtrat entschieden.
Drittes Standbein der Macht: Der OB kann Beschlüsse des Stadtrates abschmettern, wenn er sie für „rechtswidrig" oder für die Stadt „nachteilig" hält. Leonhard: „Aber das ist die Ausnahme. Im Interesse der Stadt muss man sich einigen."
Fazit: Gewinnt der aktuelle Oberbürgermeister Herbert Wagner (52, CDU), bleibt alles beim alten. Berghofer muss möglichst viele Mitglieder des Stadtrates auf seine Seite brin-gen (und zwischen den Sitzun-gen regieren). Siegt Roßberg, hat er damit zu tun, sein Wahlbündnis aus u.a. SPD, PDS, Grünen, FDP zusammenzuhalten.
(Wiebke Müller)