Karl Nolle, MdL
DNN, 23.06.2001
Zwei Prinzen klopfen an Biedenkopfs Thron
Das Dunkel lichtet sich endlich: Zwei Kandidaten bewerben sich in der sächsischen CDU um die Nachfolge von "König Kurt'
Dresden. Edel war das Ambiente, moderat die Atmosphäre: Als Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) diese Woche ins Dresdner Coselpalais zum Weinabend lud, wollte er verlorenes Terrain zurückgewinnen. „Ich bin immer dafür gewesen, Konflikte auszutragen", offerierte er der kleinen Runde. Nur so gebe es Lösungen von Dauer statt bloßer „Formelkompromisse".
Es wurde höchste Zeit. Die jungen Chorknaben der „Unter-50-Gruppe", die sich seit Wochen für die Nachfolge des „König Kurt Kohl" einstimmt, klagen bereits über den „Stillstand in der Staatskanzlei". Die CDU-Kreisvorsitzenden haben die Nase voll von Putz-, Koch- und Ingrid-Affäre. Und Georg Milbradt, „der kluge Stipendiat des deutschen Volkes“ (Matthias Rößler), sammelte eine gefährliche Multi-Kulti-Mischung als Unterstützerkreis.
Seit Wochen lebt „der Glücksfan der goldenen zehn Aufbaujahre" (Kultusminister Matthias Rößler) von der Hand in den Mund. Miserables Krisenmanagement, Dementis und absurde Schuldzuweisungen dominieren. Dabei sind die Miet- und anderen Affären des Aufbauhelfers nur Folge eines tiefer liegenden Problems, der ungeklärten Nachfolge.
Lange Zeit war die Gemengelage im Vorfeld des Wahlparteitags Mitte September diffus. Doch mittlerweile achtet sich das Dunkel. Für die, die sich für die Nachfolge interessieren, steht nicht mehr Biedenkopf im Mittelpunkt, sondern das Schicksalswahljahr 2004. „Wenn überhaupt", so ein U-50er, könnte die CDU 2004 „nur mit einer gemeinsamen allergrößten Anstrengung` und „nur mit einem in Ehren verrenteten Biedenkopf" noch einmal „die Mandatsmehrheit" erreichen. Die anderen stimmen in dieses Lamento mehr oder weniger unisono ein. An den strahlenden Sieg glaubt niemand mehr. Schulminister Rößler, Milbradt nicht im Aussehen aber im Denken und Handeln nahe, hat sich selbst aus dem Rennen genommen. Er will federführend die liegen gebliebene „Erneuerung unserer Politikkonzeption“ mitgestalten. „Das kann ich gut." Also auf zum Zweikampf Milbradt gegen Umweltminister Steffen Flath. Letzterer ist zur unfreiwilligen Schlüsselfigur geworden. „Ich merke den immer drängenderen Wunsch aus der Partei, dass ich kandidieren soll", meinte der 44-Jährige gegenüber unserer Zeitung. „Ich bin bereit, sehr gründlich darüber nachzudenken."
Für den vorsichtigen Erzgebirgler kommt das einer offenen Kandidatur gleich. Und er bekommt Rückendeckung aus dem Kreis der „U 50". Justizminister Manfred Kolbe sieht in Flath die „optimale Lösung". Schließlich sei dieser Sachse und stehe „für einen wirklichen Generationswechsel" in der Union. Vor allem aber hätte Flath auch bei einer Kampfkandidatur „beste Aussichten" auf Erfolg. „Und er könnte zusammen mit Biedenkopf im Wahlkampf auftreten.“ Soll heißen: Wer das nicht kann, der führt die Union in die Pleite.
Seit Biedenkopf seinen Sparkommissar Milbradt im Januar gefeuert hat, stehen die Zeichen auf Sturm. Zu tief sind die Verletzungen, dass ein Konsens über alle Fronten hinweg gelingen könnte - trotz eifriger Versuche des U-50.Lagers, Milbradt zum Einlenken zu bewegen. Europaminister Stansislaw Tillich sieht das nüchtern: Mit Flath und Milbradt seien „die beiden guten Bewerber“ benannt.
Eine solche Auswahl „ist gut für Sachsens CDU und für die demokratische Auswahlmöglichkeit“. Und selbst Flath wäre eine Kampfkandidatur „kein Beinbruch".
Dabei befindet sich die CDU in der strategischen Klemme. Der Kandidat der Zukunft muss Konsenstyp und Volkstribun sein Er muss die Partei einen und die kommende Landtagswahl gewinnen. Mit Leipzigs SPD-OB Tiefensee, der womöglich 2002 von Kanzler Schröder ins, Kabinett als Bundesminister geholt wird und dann seine Sachsen auch noch mit dem Investitions-Geldbeutel beglücken könnte, steht erstmals ernsthafte Konkurrenz ins Haus. Das Hauptproblem der CDU freilich besteht darin, dass keiner der beiden Kandidaten beides gleichzeitig kann; mit Milbradt gibt es keinen Konsens und dem stillen Flath trauen nicht alle einen pointierten Wahlkampf gegen das Schreckgespenst Rot-Rot zu. Flath sieht das anders. Dass er „die scharfe Auseinandersetzung" beherrsche, „habe ich als Generalsekretär gezeigt“.
Das Prozedere steht weitgehend fest: Geht Milbradt Mitte September als Sieger aus dem Rennen hervor, wäre das auch eine Vorentscheidung für ihn als MP-Kandidaten 2004, und Biedenkopf würde wohl sofort hinschmeißen. Bei Flath dagegen wäre das keinesfalls ausgemacht. Denn bis zum Wahljahr hätten auch andere Kandidaten - Rößler zum Beispiel, aber auch Finanzminister Thomas de Maiziére - Zeit genug, sich als die bessere Wahl zu profilieren.
„Es wäre ein Fehler", gab sich Biedenkopf im Dresdner Coselpalais geläutert, „bis Ende der Legislatur zu bleiben, ohne die Nachfolge zu regeln." Andere Kabinettsmitglieder sehen das mindestens so klar. Für einen Rücktritt in Ehren gäbe es passende Zeitpunkte zuhauf: Am 28. Januar 2002 wird Biedenkopf 72, im September 2002 gibt es die Bundestagswahl und in der Adventszeit wird der Doppelhaushalt des Landes erstellt. Alles drei gute Gelegenheiten, Ingrids „Kurt Hans“ rechtzeitig als „elder statesman" (Thomas de Maiziére) zu verabschieden und den neuen „nach einer ritterlichen Auseinandersetzung" (Rößler) ran zu lassen.
(Dieter Wonka)
Georg Milbradt - der stille Widersacher
Er ist der größte Interne Widersacher von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), doch von ihm selbst ist kaum etwas zuhören: Seit Monaten hüllt sich Ex-Finanzminister Georg Milbradt (CDU) in Schweigen. Kein Wort zur Nachfolgedebatte, Und erst recht keines zu eigenen Ambitionen. Gelassen trinkt der Geschasste Tee in seinem Haus hoch über der Elbe. Spekulieren sollen derweil andere.
Das wirkt wie Zaudern, ist aber taktisch motiviert. So lange Milbradt sich raushält, ist nicht er, sondern der Biedenkopf-Flügel in Erklärungsnot. Das,„andere Lager" habe nicht Milbradt, sondern Biedenkopf geschaffen, sagt ein Staatsminister aus der U-50-Gruppe forsch und frech. Der Riss in der Partei sei nicht sein Produkt.
Klar ist: Ganz nach oben will er schon und Biedenkopf beerben - doch erst, wenn die Zeit reif ist. Drei Monate vor dem Parteitag gilt das Spar-gelprinzip: Wer sich zu früh regt, wird abgeschnitten. Doch bis zum 10. August muss er sich offenbaren oder er hat verloren. Eine Altarnative zur Attacke hat er nicht. Nur wenn er jetzt die Machtfrage stellt, kann er in der CDU ganz vorn mitspielen. Sonst bliebe nur der Gang raus aus der Politik in die Wirtschaft.
„Der hat es doch immer mit dem großen Geld", spöttelt ein U-50er.
(dw)
Steffen Flath der zögernde Konsenskandidat
Für die CDU ist er eine Art ideeller Gesamt-Sachse. Heimat- und parteiverbunden erscheint Landwirtschafts- und Umweltminister Steffen Flath als idealer Konsenskandidat - ein Dieter Althaus aus dem Erzgebirge. Wie der potenzielle Nachfolger von Thüringen-Vogel, vereint Flath alle Eigenschaften auf sich, nach denen ein Großteil der CDU im Freistaat sich derzeit sehnt: Er ist ernsthaft, bodenständig und ein waschechter Sachse.
Das Problem dabei ist nur, er will eigentlich gar nicht richtig - vor allem nicht Thronfolger von Kurt Biedenkopf werden. Das erklärt sein Zögern. Doch Flath hat einen kleinen Makel: Er ist mehrheitsfähig in der CDU und damit der ideale Kandidat zur Verhinderung von Georg Milbradt.
Darauf setzen die anderen aus dem Biko-Lager, vor allem auch jene, die einen CDU-Erfolg für den Fortgang der eigenen Karriere brauchen. Flath soll für sie Ruhe in die aufgescheuchte Partei bringen, Risse kitten und das Wichtigste besorgen: einen Abtritt für Biko ohne Krawall, aber in Ehren.
Für Flath ist das ein heikles Unterfangen. Sollte Milbradt sich doch durchsetzen, könnte er Flath mit anderen aus dem Hofstaat entsorgen. Lachende Dritte wären jene, die sich jetzt nicht so weit vorgewagt haben.
(dm)