Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 29.06.2001
Porsch: Ich will Ministerpräsident werden
Scheidender PDS-Landesvorsitzender geht in Offensive - Über Mauerbau, Politikstil und Parteikurs
DRESDEN. Die Funktion seiner Partei sieht er für noch 15 bis 20 Jahre gesichert. Vorher will Peter Porsch die CDU von der Macht ablösen und für die PDS Ministerpräsident in Sachsen werden. In einem Gespräch mit der „Freien Presse" dementierte der scheidende Landesvorsitzende Absichten, in die Bundespolitik abwandern zu wollen. Die verheerende Wirkung seiner Mauerbau-Äußerungen hätten auch seine Familie betroffen, sagte Porsch und zeigte sich nachdenklich zur Wirkung der Angriffsserie auf Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Die SPD habe - mit ihrer „Schlammschlacht" keinen einzigen Wähler gewonnen. Mit Peter Porsch sprach Hubert Kemper.
Freie Presse: Ihr Rücktritt vom Parteivorsitz wurde als Überraschung gewertet. Haben Sie nach den Mauerbau-Äußerungen die Notbremse gezogen?
Peter Porsch: Dieser Schritt war seit längerem geplant und verkündet, und die „Freie Presse" hat über den bevorstehenden Wechsel auf Cornelia Ernst vor 14 Tagen berichtet. So überraschend kann er also nicht gewesen sein.
Freie Presse: Also kein Frust über die Reaktion auf Ihre verharmlosenden Äußerungen?
Porsch: Nochmals nein. Aber die Attacken, die dann geritten wurden, haben mich schon aus den Socken gehauen. Da ist erstmals auch meine Familie mit einbezogen worden. Für mich war das sehr enttäuschend, weil man sich nur an einem Satz festgehalten hat, dass nämlich die Mauer den Frieden zum Zeitpunkt ihren Errichtung erhalten habe.
Freie Presse: Aber das war auch starker Tobak.
Porsch: In seiner Diktion vielleicht. Die bedauere ich, möglicherweise bin auch ich zuviele Jahre von Ulbricht und Honecker berieselt worden. Mein Bezugspunkt war aber die Einschätzung des Ereignisses durch Franz-Josef Strauß, nachzulesen in seinen "Erinnerungen" auf Seite 431. Dass ich ansonsten die Mauer von vorn bis hinten verurteilt habe, ist leider nicht mehr zur Kenntnis genommen worden.
Freie Presse: Wollten Sie mit dem Beitrag die von Ihrem Reformer irritierten Alt-Kader in der PDS besänftigen?
Porsch: Quatsch. Dieser Beitrag war vier Wochen alt und kam natürlich in der Berliner Koalitionsdebatte völlig zur Unzeit.
Freie Presse: Eine Entschuldigung für den Mauerbau lehnen Sie aber weiter ab, oder?
Porsch. Ich habe etwas gegen einen Ablass-Handel Mit einer Entschuldigung würde eine Diskussion die ich für sinnvoll halte, abgewürgt. Man sollte sich weiterhin in der PDS und in dieser Gesellschaft darüber unterhalten, wie ein solches Bauwerk entstehen und 28 Jahre halten konnte.
Freie Presse: Erstmals sei auch Ihre Familie in Attacken auf den Politiker Porsch einbezogen worden. Hat diese Erfahrung Nachdenklichkeit ausgelöst?
Porsch: Wenn Sie auf Biedenkopf und die Angriffe der letzten Monate anspielen, dann sage ich ja. Aber ich habe mich immer mehr um die Sachauseinandersetzung bemüht als dass ich persönliche Angriffe gestartet hätte. Das war auch in diesem Falle der Zweck unserer Sondersitzung. Ich will nicht behaupten, dass wir in dieser Kampagne fein waren. Aber von einem Herrn Nolle den Vorwurf zuhören, wir wären zu lasch gewesen, ist schon absurd. Schlammschlachten dieser Art überlassen wir der SPD. Die hat damit keinen einzigen Wähler gewonnen.
Freie Presse: Der Umgang der Politiker miteinander ist auch nicht gewinnbringend. Wollen Sie ihren Stil beibehalten?
Porsch: Ich bedauere sehr, dass Politik ein Element der Spaß-Gesellschaft geworden ist. Wer damit aufhören würde, wäre allerdings der Dumme. Ich wäre aber gern bereit, mich mit den anderen Parteien über andere Umgangsformen zu unterhalten. Aber vergessen Sie bitte nicht die Medien und deren Geschäft. Viele leben von Textfetzen und Einwortsätzen.
Freie Presse: Porsch und wer nach? Bei den Landratswahlen musste die halbe PDS Fraktion aushelfen.
Porsch: Ganz so schlimm war es nicht, aber unsere dünne Personaldecke ist nicht zu leugnen. Da geht es uns nicht besser als anderen Parteien. Unser Ruf als Politiker ist ruiniert. Das ist ein Problem der Demokratie: Über wen ziehen wir her, wenn bald keiner mehr in die Politik geht?
Freie Presse: Die PDS wird uns noch etwas erhalten bleiben, sie scheint sogar auf dem Vormarsch. Aber mit welchem Kurs?
Porsch. Mit einem sehr pragmatischen und dennoch prinzipientreuen. Da stört eine Sarah Wagenknecht nicht. Es glaube, es ist kein Zufall, dass sie in keiner parlamentarischen oder kommunalpolitischen Verantwortung steht. Was sie sagt, bewegt unsere Leute, aber es verändert sie nicht.
Freie Presse: Der PDS sterben die Mitglieder weg. Kämpfen Sie für eine aussterbende Partei?
Porsch: Als Mitgliederpartei haben wir Probleme, als Wählerpartei nicht. Wenn wir aber aussterben, werden wir auch nicht mehr gebraucht.
Freie Presse: Wie lange wird die noch PDS noch benötigt?
Porsch: Für den von heute wirklich überschaubaren Zeitraum, das sind die nächsten 15 bis 20 Jahre, auf jeden Fall: Wir müssen aufzeigen, dass es in diesem Land noch zwei unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichen Werten gibt. Wir wollen unseren Beitrag leisten, damit sich Ellebogen-Mentalität nicht durchsetzt und Menschen mit einem Arbeitsplatz damit ihr Recht auf Muße nicht verwirkt haben.
Freie Presse: Und dafür müssen Sie die CDU ablösen?
Porsch: Deswegen auch. Es gibt eine Wechselstimmung im Land. Die können wir nur gemeinsam mit der SPD und den Grünen umsetzen, allerdings nicht als Volksfront, sondern jeder mit einem unverwechselbaren Profil. Nur so können wir das Reservoir der Nichtwähler mobilisieren, denn der Block PDS-SPD ist seit Jahren stabil bei 35 bis 38 Prozent.
Freie Presse: Und Sie wollen im nächsten Jahr Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden?
Porsch: Falsch. Ich bleibe im Lande, denn es kommt ab 2004 neue Verantwortung auf uns zu, beginnend beim Amt des Ministerpräsidenten.
Freie Presse ... für das Sie offensiv kandidieren wollen?
Porsch: Man kann nicht Ansprüche anmelden, ohne sie nicht erfüllen zu wollen.
Freie Presse: Mit welchem Lieblingsgegner als Amtsinhaber der CDU?
Porsch: Das ist mir egal. Ich wäre froh, wenn die CDU überhaupt einen Gegner findet.