Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 18.08.2001
Dieses undemokratische Agieren muss aufhören!
Der sächsische CDU-Politiker Hermann Winkler, MdL über die Wahl des neuen Parteichefs und das Störfeuer aus Biedenkopfs Lager
Zehn Jahre sonnte sich Sachsens CDU in den Wahlerfolgen Kurt Biedenkopfs. Doch seit Jahresbeginn geht es drunter und drüber. Biedenkopf hat seine Partei durch die spektakuläre Entlassung seines Finanzministers Georg Milbradt in eine tiefe Krise gestürzt. Über den Zustand der Union sprach FR-Korrespondent Bernhard Honnigfort mit dem Landtagsabgeordneten Hermann Winkler. Der 38-Jährige wird neuer CDU-Generalsekretär, sollte Milbradt im September die Wahl zum Vorsitzenden gewinnen.
FR: Herr Winkler, Sachsens CDU hat turbulente Monate hinter sich. Im Februar Milbradts Rauswurf, im Frühjahr Biedenkopfs Miet-Affäre, die Partei wirkt zerrissen und orientierungslos. Am 15. September wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden.Wird dann alles wieder gut?
Hermann Winkler: Die CDU hat jetzt eine riesengroße Chance, erwachsen zu werden. Wir haben zwei gute Kandidaten zur Auswahl: Ex-Minister Milbradt und Landwirtschaftsminister Steffen Flath. Ich traue meiner Partei zu, demokratisch und fair einen neuen Vorsitzenden zu finden. Nur das Störfeuer gegen Milbradt ist höchst ärgerlich.
FR: Was meinen Sie damit?
Hermann Winkler: Offensichtlich haben sich nicht alle damit abgefunden, dass wir auf dem Landesparteitag eine Wahl zwischen zwei Kandidaten haben werden. Besonders auf der Regierungsseite sollte man sich zurückhalten und sich an demokratische Spielregeln erinnern.
FR: Sie meinen das Werben mit Posten oder Einschüchterungsversuche gegen Anhänger Milbradts?
Hermann Winkler: Natürlich, so etwas hat es gegeben. In Regierungskreisen, besonders der Staatskanzlei, versucht man, Einfluss zu nehmen, um eine Wahl Milbradts zu verhindern. Ich habe gehört, das gehe schon seit Monaten so. Dieses undemokratische Agieren hinter den Kulissen muss aufhören. Delegierte müssen die freie Wahl und die Kandidaten gleiche Chancen haben. Man stelle sich vor, Flath würde neuer CDU-Vorsitzender und trüge fortan den Makel, er habe das Amt nur, weil hintenherum getrickst wurde. Es ist absurd: Die Kandidaten Flath und Milbradt gehen fair miteinander um, und drumherum scheint nichts mehr verboten, Hauptsache es schadet Milbradt.
FR: Aus Ihrer Partei hört man, besonders Staatskanzleichef Georg Brüggen führe einen Feldzug gegen Milbradt.
Hermann Winkler: Den Eindruck habe ich auch.
FR: Warum ist das so eskaliert?
Hermann Winkler: Das Unheil begann im Januar in Leipzig auf der Fraktionsklausur. Damals wollte Biedenkopf nicht akzeptieren, dass die Kollegen Uwe Grüning und Horst Metz Parteichef Fritz Hähle den Fraktionsvorsitz streitig machen wollten. Der Unmut über Hähle war groß, seit langem schon, und jeder wusste das. Biedenkopf ertrug das nicht. Er ist mit dieser Situation nicht fertig geworden und hat Milbradt als Verdächtigen entlassen. Er vermutete Milbradt hinter einer Intrige. Aber es war keine. Es war ein ganz normaler demokratischer Prozess. Biedenkopf hatte es zunächst selbst so gesagt, sich dann aber nicht daran gehalten und sich für Hähle eingemischt. Als er dann Milbradt einen miserablen Politiker nannte und rauswarf, spaltete Biedenkopf die Partei. Seitdem hat man den Eindruck, alles drehe sich nur noch darum, Milbradts Wiederaufstieg unmöglich zu machen.
FR: Den Eindruck teile ich. Wie erklären Sie sich das?
Hermann Winkler: Das ist schwer zu sagen. Bei Biedenkopf steckt bestimmt Enttäuschung dahinter, Enttäuschung darüber, dass Milbradt es gewagt hat, über die Zeit nach Biedenkopf nachzudenken. Wahrscheinlich auch Wut darüber, dass Milbradt noch in Sachsen ist und nicht aufgibt. Vielleicht auch verletzte Eitelkeit. Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus all dem.
FR: Für den "miserablen Politiker" hat sich Biedenkopf nie öffentlich entschuldigt?
Hermann Winkler: Meines Wissens nicht. Heute wäre es sowieso zu spät. Aber hätte sich Biedenkopf damals gleich entschuldigt, uns wäre viel erspart geblieben.
FR: Wie soll es weitergehen? Ist vorstellbar, dass ein Ministerpräsident Biedenkopf auch nur eine Sekunde mit einem CDU-Vorsitzenden Milbradt zusammenarbeitet?
Hermann Winkler: Er wird es müssen. Biedenkopf hat in Sachsen enorm viel geleistet. Aber zur Landtagswahl 2004 tritt er nun mal nicht mehr an. Also muss auch er dafür sorgen, dass sein Erbe vernünftig geregelt und der beste Nachfolger gefunden wird. Dabei hat er ein Mitspracherecht, aber er kann nicht bestimmen. Das letzte Wort spricht die Partei.
FR: Das klingt so emanzipiert. Jahrelang döste die CDU im Sonnenglanz und in den Wahlerfolgen Biedenkopfs, jetzt will sie bestimmen?
Hermann Winkler: Anders geht es doch nicht. Die CDU muss sich noch viel weiter emanzipieren. Der Prozess läuft schon. Meine Partei hat bislang eine viel zu untergeordnete Rolle gespielt. Das hat dazu geführt, dass es wenig attraktiv war, in der CDU mitzuarbeiten. Aber das muss sich mit einem neuen Vorsitzenden ändern.
FR: Welche Rolle hat der amtierende Parteichef Fritz Hähle gespielt?
Hermann Winkler: Wir brauchen dringend den Neuanfang. Hähle hat es nicht geschafft, die Konflikte der letzten Monate zu lösen. Ich habe eher den Eindruck, er hat Probleme noch verschärft.