Karl Nolle, MdL

Deutschlandfunk, Informationen am Morgen, 08:15, 24.08.2001

Milbradt oder Flath - Beide sind grundsätzlich geeignet

Frank Capellan im Gespräch mit Heinz Eggert, stellvertretender CDU-Vorsitzender in Sachsen
 
Capellan: Der Streit um die Führung der sächsischen CDU, er würde bundesweit wohl nur wenig interessieren, ginge es nicht auch darum, wie die Nachfolge des 71jährigen Kurt Biedenkopf geregelt werden soll, denn der neue Landesvorsitzende hätte wohl die besten Aussichten, neuer Ministerpräsident zu werden. Am Telefon begrüße ich nun den CDU-Vize von Sachsen, Heinz Eggert. Guten Morgen Herr Eggert!

Eggert: Guten Morgen!

Capellan: Es gibt zum erstenmal zwei konkurrierende Kandidaten für den Parteivorsitz. Ist das ein Fortschritt?

Eggert: Das ist Normalität. Zur Wahl gehört auch Auswahl und man kann nur sehr froh darüber sein.

Capellan: Aber in Sachsen war das ja lange Zeit keine Normalität?

Eggert: Ja, es war lange Zeit keine Normalität. Nun muss man aber auch sagen, in ganz Ost-Deutschland war nach dem, was in 40 Jahren in der alten Bundesrepublik gewachsen war, in den ersten Jahren kaum Normalität. Kurt Biedenkopf, der sehr viele Verdienste hat und ein guter Ministerpräsident ist, hat an der Stelle natürlich auch vieles überdeckt.

Capellan: Es lag also auch an der Autorität des Ministerpräsidenten, dass es dort keine Konkurrenz gab?

Eggert: Ja. Man war immer sehr genau darauf bedacht, die Autorität des Ministerpräsidenten - und da muss ich sagen zu recht - nicht zu beschädigen. Dadurch ist natürlich manchmal auch eine Ruhe in der Partei eingekehrt, die ein wenig unheimlich war.

Capellan: Wie viel Gewicht hat denn Biedenkopf heute noch in der Partei?

Eggert: Ich denke, dass Biedenkopf in Sachsen und auch in der Partei noch Gewicht hat. Man weiß aber in der Partei auch, dass er im Jahr 2004 nicht mehr zur Verfügung steht. Das heißt also, dass Biedenkopf nicht mehr wahlkampfentscheidend ist. Von daher denkt man natürlich sehr genau darüber nach, wer sichert ab 2004 die Mehrheiten.

Capellan: Allerdings muss man doch feststellen, dass sich Biedenkopf auch vehement in die Nachfolgediskussion einmischt. Er hat sich offen für den Kandidaten Steffen Flath ausgesprochen. Es heißt, 30 Prozent seien etwa für Milbradt, 30 Prozent für Flath, der Rest noch unentschieden. Wie bewerten Sie die Stimmungslage?

Eggert: Zunächst einmal zum Anfang der Frage. Biedenkopf hat sich natürlich immens an der Stelle eingemischt und hat ja auch so manches Irrationale in diesem Jahr getan, was viele nicht verstanden haben.

Capellan: Sie meinen jetzt die Tatsache, dass er seinen Finanzminister Milbradt im Januar entlassen hat?

Eggert: Ja. Er hat im Januar den Finanzminister, der überall als Fachmann gelobt und geschätzt wird, selbst von denen, die ihm in Verhandlungen unterlegen waren - das ist ja das interessante -, entlassen. Das kann er auch. Er ist ja Ministerpräsident. Aber sein Nachkarren, dass er Milbradt offiziell und offiziös als miserabel bezeichnet, das ging dann doch ein wenig über die berühmte Hutschnur. Momentan halte ich das Rennen für relativ offen. Nur ich halte es für einen ausgesprochen hohen demokratischen Gewinn innerhalb des Umgangs in der sächsischen Union, dass Milbradt antreten konnte. Das heißt also, dass all das was versucht worden ist, im Vordergrund und im Hintergrund, nicht dazu geführt hat, dass eine Kandidatur von Milbradt nicht möglich war.

Capellan: Nun sagen aber viele Parteimitglieder - wir haben das eben im Beitrag gehört -, das kann eigentlich nicht funktionieren. Wie soll es klappen, dass Milbradt und Biedenkopf künftig noch für einige Zeit zusammenarbeiten. Können Sie sich das vorstellen?

Eggert: Ich kann mir das gut vorstellen, wenn beide das wollen. So wie ich Georg Milbradt kenne wird es an der Stelle keine Probleme geben. Man muss auch mal deutlich sagen: Wenn eine ganze Partei, nämlich die sächsische Union, zu Milbradt Vertrauen hat, dass er der richtige Parteivorsitzende ist, dann hat auch ein Ministerpräsident mit ihm zusammenzuarbeiten. Wer heiraten will soll aufs Standesamt gehen, aber nicht in die Politik. Man muss sich nicht lieben, aber man muss zusammen arbeiten.

Capellan: Warum halten Sie Milbradt für den besseren?

Eggert: Ich halte ihn für den kompetenteren. Beide sind grundsätzlich geeignet. Das ist gar keine Frage. Das hat auch gestern Abend die Vorstellung ergeben. Flath ist weitaus emotionaler und hat weitaus mehr die Gefühle der Versammelten angesprochen, ist aber im Konkreten die Antwort immer schuldig geblieben. Das heißt er hat sich an der Stelle gestern Abend so gegeben wie er ist. Das muss ich beiden Kandidaten hoch anrechnen. Sie haben nicht geschauspielert. Georg Milbradt kann zwar sehr herzlich sein, aber ist an der Stelle ein wenig mehr rational und bewertet die Dinge dann auch sehr gründlich und kompetent.

Capellan: Würde Milbradt auch für mehr Distanz zwischen Partei und Regierung stehen?

Eggert: Ja! Jetzt steht er dafür und später muss man dafür sorgen, dass er weiter dazu steht.

Capellan: Sie wünschen das. Warum?

Eggert: Weil ich das für notwendig halte. Es ist immer sehr schwierig, wenn eine Partei die absolute Mehrheit hat und die Regierung stellt. Dann kommt im allgemeinen immer die Regierung sehr in den Vordergrund. Sie können aber das einzelne Parteimitglied nur motivieren - und darauf kommt es ja an -, nicht dadurch, dass es einmal alle vier Jahre Plakate kleben darf und auf Parteitagen die Hände heben darf zu irgendwelchen Abstimmungen, sondern es muss das Gefühl haben, dass das was es diskutiert in Parteitage und in Gremien einbringen kann und dann auch in Regierungshandeln umgesetzt wird.

Capellan: Der Mythos Biedenkopf zerbricht immer mehr. Das meint die Opposition und verweist dabei unter anderem auch auf die so genannte Mietaffäre. Was hat Biedenkopf mehr geschadet, diese Geschichte oder die Art und Weise, wie er mit Kritikern in der eigenen Partei umgegangen ist?

Eggert: Ich glaube beides. Das ist zum Beispiel auch etwas, was kaum denkbar wäre im Westen Deutschlands. Das macht auch den Unterschied sehr aus. Ich denke, dass jeder westliche Politiker mit diesen Geschichten hätte gehen müssen. Die Leute in Sachsen kennen sehr genau die Aufbauleistung von Biedenkopf und es gibt an dieser Stelle schon Dankbarkeit als politische Kategorie, indem sie auch weiter in Umfragen zu ihm gehalten haben.

Capellan: Also er hat im Prinzip den geeigneten Zeitpunkt für seinen Abtritt schon verpasst?

Eggert: Ja, aber ich denke, wenn man so lange in der Politik ist, so lange Ministerpräsident und so alt ist, kann man darüber immer spekulieren. Wenn all diese Dinge nicht geschehen wären, wären die ganzen Diskussionen nicht aufgetaucht. Von daher ist es jetzt müßig darüber zu reden, ob er den richtigen Abgang verpasst hat. Fakt ist: er wird in dieser Legislaturperiode irgendwann gehen müssen.


Capellan: Wann sollte er gehen? So schnell wie möglich?

Eggert: Nein. Da denke ich schon, dass es sehr richtig ist, dass man niemanden vor die Tür setzt, sondern dass Biedenkopf an der Stelle über den Termin des Rücktritts ein Mitspracherecht hat. Das sollte ihm auch eingeräumt sein.

Capellan: Herr Eggert, abschließende Frage: Welche Ambitionen haben Sie persönlich in der sächsischen CDU?

Eggert: Ich habe insofern gar keine Ambitionen, obwohl immer wieder mal geschrieben wird, mir wären schon Ministerposten angeboten worden. Ich wäre eigentlich auch nicht wieder angetreten, weil ich denke, nach zehn Jahren als stellvertretender Vorsitzender müssen auch mal andere heran. Wir haben nur eine außergewöhnliche Situation und mich haben sehr viele Leute gebeten anzutreten, weil wir ja Wahlkämpfe vor uns haben, um mich im Wahlkampf mit einzubringen. Deswegen werde ich noch einmal als stellvertretender Parteivorsitzender antreten.

Capellan: Heinz Eggert war das, CDU-Vize in Sachsen. - Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!