Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 01.09.2001
Aus "Drohung" wird "Missverständnis"
Streit Weber-Brüggen offiziell beigelegt / Letzte Regionalkonferenz / Will Biedenkopf bei Milbradt-Wahl bis 2004 bleiben?
DRESDEN. Der Streit zwischen Gleichstellungsministerin Christine Weber und Staatskanzleichef Georg Brüggen (beide CDU) ist offiziell beigelegt. Nach einem gut einstündigen Termin bei Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) gestern Vormittag in der Staatskanzlei hätten sich die beiden Kabinettsmitglieder über ihre Positionen in der Nachfolgedebatte ausgesprochen. Biedenkopf betrachte die Angelegenheit damit als erledigt, teilte Regierungssprecher Michael Sagurna anschließend mit.
Weber hatte sich im Ringen um den CDU-Parteivorsitz und damit die mögliche Ministerpräsidentennachfolge gegen Umweltminister Steffen Flath ausgesprochen, da er keine starke Führungspersönlichkeit sei. Brüggen soll ihr darauf hin - nach bisheriger Darstellung - gedroht haben, dass sie künftig kein Ministeramt mehr bekomme. Weber bestätigte gestern, sie habe das damalige Gespräch so empfunden. Dies gilt nun nach Darstellung der Staatskanzlei als großes Missverständnis. Frau Weber sei lediglich an die Kabinettsdisziplin erinnert worden. Brüggen habe ihr keinesfalls drohen wollen. Wieso der Staatskanzleichef allerdings überhaupt im Zusammenhang mit einer innerparteilichen Auseinandersetzung an die Kabinettsdisziplin erinnern musste, erhellte sich damit nicht.
Unterdessen sprach sich Finanzminister Thomas de Maiziére (CDU) für Flath als künftigen Parteivorsitzenden aus. Dieser habe im Gegensatz zu Milbradt die größere Fähigkeit zur Integration in der Partei.
Die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union sprach sich am späten Donnerstagabend auf einer Kreisvorsitzendenkonferenz für Georg Milbradt als künftigen Parteivorsitzenden aus. In geheimer Abstimmung votierte eine Mehrheit der anwesenden Vorstandsmitglieder und Kreisvorsitzenden für den früheren Finanzminister. Zuvor hatten sich Milbradt und Flath präsentieren können.
Darüber hinaus nominierte die Junge Union den landtagsabgeordneten Robert Clemen für die Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden. Roland Wöller und Thomas Schneider sollen für Beisitzerämter ins Rennen gehen.
Flath übt scharfeKritik an Milbradt
Die Wahl findet auf dem Landesparteitag am 15. September in Glauchau statt. Gestern Abend wurde dazu die dritte und letzte Regionalkonferenz in Leipzig veranstaltet. Dabei übte Flath erstmals scharfe Kritik an seinem Konkurrenten Milbradt. Er forderte ihn auf, zunächst in den Ring zurückzukehren, in dem um den Parteivorsitz gekämpft wird. Allerdings stehe auch er, Flath, künftig als Ministerpräsident zur Verfügung. Zugleich kritisierte er die Anhänger Milbradts. Diese hatten Flath auf der Regionalkonferenz vergangene Woche in Bautzen in Bedrängnis gebracht. "So viel Druck, Gift, Hass und Verkrampfung habe ich zuletzt vor 1989 erlebt. Wir sollten unsere ehrliche und aufrichtige Arbeit nicht kaputt machen", appellierte Flath.
Milbradt, der in Leipzig vor rund 500 Gästen erneut große Sympathien erlebte, trat Gerüchten entgegen, er habe 1994 eine große Koaltion mit der SPD geplant: "Das ist glatter Rufmord und blühender Unsinn."
In Parteikreisen wird unterdessen darüber spekuliert, ob und in welcher Weise Biedenkopf beim Parteitag nochmals für seinen erklärten Favoriten Flath Partei ergreifen wird. Kolportiert wird, Biedenkopf könnte vor den Parteitagsdelegierten seinen Plan vorstellen, doch bis 2004 im Amt zu bleiben, falls Milbradt zum Parteivorsitzenden gewählt werden sollte. In welcher Weise dies überhaupt Wirkung erzielen könnte, ist jedoch offen.
Biedenkopf hatte im Januar vor der Landtagsfraktion erklärt, er werde für einen rechtzeitigen Wechsel sorgen, damit sich der neue Ministerpräsident vor den Wahlen 2004 einarbeiten könne. Fraktionäre interpretierten das als Ankündigung für einen Rückzug nach den Bundestagswahlen 2002. Unter dem Eindruck dieser Erklärung war es Biedenkopf gelungen, nochmals Fritz Hähle als Fraktionschef durchzusetzen. Kurze Zeit später entließ Biedenkopf seinen Finanzminister, wich in einem Zeitungsinterview wieder von seinem Zeitplan ab und löste damit teilweise heftige Reaktionen an der Basis aus.
Dem Vernehmen nach habe Biedenkopf andererseits schon vor Monaten im kleinen Kreis durchblicken lassen, dass er sich eher seinen reichlich eine Million Wählern als den 16.000 Parteimitgliedern verpflichtet fühle.