Karl Nolle, MdL
MDR 1 - Radio Sachsen, ca. 18:15 Uhr, 27.11.2001
Biedenkopf, Barth und der Brief
Kommentare von Karl Nolle und Michael Sagurna
MDR 1- Radio Sachsen – Moderator: Ja, ob sich Sachsens Ministerpräsident zu Gunsten eines Freundes und zu Lasten des Freistaates in die Verhandlungen um das Behördenzentrum in Paunsdorf eingeschaltet hat? Für die Opposition ist die Sache eigentlich längst klar. Er hat. Für die CDU scheinen die Dinge auch klar zu sein. Er hat nicht.
Trotzdem wird es wohl noch eine Weile dauern, bis der Ausschuss seine Arbeit beenden kann.
Nun ist ein Brief des Investors Barth an seinen Freund Biedenkopf aufgetaucht. Und der wird, wie alles im Ausschuss, unterschiedlich interpretiert.
Uta Deco berichtet.
Uta Deco: Berge von Akten hat der Ausschuss schon gelesen. Der Brief von Barth an Biedenkopf vom 29.Juni 1993 aber ist neu. Der war erst in den Unterlagen zu finden, die Barth jetzt übersandt hat. In dem Stapel, den die Staatskanzlei dem Ausschuss gegeben hat, fehlte er.
Warum?
Das konnte Regierungssprecher Sagurna heute nicht erklären. Die Opposition sieht sich bestätigt. Hatte doch die PDS längst eine Hausdurchsuchung bei Barth und Biedenkopf gefordert, weil die Unterlagen nicht vollständig seien. Die CDU hatte abgelehnt. Begründung: Die Staatskanzlei habe mitgeteilt, die Unterlagen seien vollständig.
Halten wir fest: Sie waren es nicht! Halten wir zweitens fest, belegt ist, dass für das Millionenobjekt keine Ausschreibung stattfand. Halten wir drittens fest, dass die Mietkonditionen aus heutiger Sicht schlecht sind.
Das alles steht längst fest. Fest steht auch, dass sich der Ministerpräsident besonders eingesetzt hat. Nur ist seine Begründung die: Er hätte es für jeden Investor getan.
Die Opposition hat Ihre Zweifel. Erst recht beim Blick auf den nun vorliegenden Brief von Barth an Biedenkopf. Karl Nolle, SPD.
Karl Nolle: „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Hier diktiert ein Duz-Freund, ein Amigo-Investor dem Ministerpräsidenten des Freistaates die Konditionen. Hier machen zwei Freunde zu Lasten des Freistaates Geschäfte.“
Uta Dreco: In dem Brief an Biedenkopf schrieb Barth präzise, zu welchen Bedingungen der Freistaat den Behördenkomplex anmieten solle und wie der Stand bei der Anmietung welcher Behörden ist.
Fast wortgetreu diktierte Biedenkopf das unter seinem eigenen Briefkopf nieder, als Vermerk an den Finanzminister. Begründet wurde der Vermerk u. a. stets damit: Biedenkopf habe den Finanzminister informieren wollen, wo die Schmerzgrenze des Investors liege.
Unklar, warum dann Biedenkopf etwa zum Ankaufsrecht schreibt: „...Der Investor räumte ein Ankaufsrecht zum 15-fachen der dann gültigen Jahresmiete ein...“. Obwohl Barth schreibt, seine Grenze liege beim 13-fachen.
Dennoch, der Brief, ist nichts worüber er sich ärgern müsste, meint Regierungssprecher Michael Sagurna.
Michael Sagurna: „Wenn ich die beiden Briefe nebeneinander lege, dann stelle ich fest, dass jeder sehen kann, dass der Ministerpräsident sich nicht in Einzelkonditionen des Vertrages eingemischt hat. „
MDR 1- Radio Sachsen – Moderator: Die Vorwürfe seien unberechtigt. Schließlich hat Biedenkopf ja nicht wörtlich geschrieben – Ihr müsst zu diesen Konditionen abschließen. Da steht nur der Satz: „...ist eine alsbaldige Entscheidung erforderlich. Für eine entsprechende Veranlassung wäre ich Ihnen dankbar....“
Im Finanzministerium war man aber schneller als gedacht. Parallel zu dem Briefwechsel, wurden nämlich die Verträge schon geschlossen.