Karl Nolle, MdL
Freie Presse, 06.12.2001
Giftakte belastet Solidarität mit König Kurt
Paunsdorf-Affäre und kein Ende - Rücktrittsforderung und schleichende Absetzmanöver in der CDU
DRESDEN. "Wer lügt, muss zurücktreten", befand die SPD. Die Forderung kam mit seltsamer Verzögerung, dafür aber einstimmig: Ministerpräsident Biedenkopf solle seinen Hut nehmen, denn er habe im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt. "Guten Morgen, SPD! Nach sieben Monaten aufgewacht", konterte die PDS und verwies genüsslich auf eine Sondersitzung des Landtages im Mai, die dieses Rücktrittsziel verfolgt habe - damals ohne eindeutige Unterstützung der SPD.
Biedenkopf steckt in der Klemme. Der Fall Paunsdorf erweist sich als Dauerbrenner, dessen Sprengkraft auch die CDU-Fraktion immer stärker fürchtet. "Was sollte daran ehrenrührig sein?", fragte Fraktionschef Fritz Hähle, dass der Ministerpräsident auch persönliche Kontakte zu Gunsten des Landes nutzt?"
Sie sei eine "Giftakte", dieses 373 Seiten starke Werk, das der Kölner Baulöwe Heinz Barth dem Untersuchungsausschuss des Landtages nach Drängen und Drohungen überlassen hat. "Giftakte" nennen CDU-Kreise diese brisante Sammlung von Briefen und Vermerken, weil sie beweisen, dass Biedenkopf weit über das übliche Mass hinaus seinen persönlichen Einfluss für die Projekte von Heinz Barth geltend gemacht hat. Dabei stellt der eine Ordner nur einen Extrakt des detaillierten Informationsaustausches dar. Eine ganze LKW-Ladung sei erforderlich, hatte Barth zunächst den Ausschuss abgewimmelt, Dann schrieb sein Anwalt Peter Lauer, das eine oder andere Schreiben könne nicht mehr in den Akten liegen. PDS-Ausschuss-Obmann Andre Hahn hat keinen Zweifel, dass die Staatskanzlei vor Übergabe ihrer Akten delikate Schreiben entfernt hat. Doch fehlerhaft war die Abstimmung mit Barth. Der ging offenbar davon aus, die früheren Vertrauten hätten komplett den Ausschuss beliefert und schickte das Belastungsmaterial frei Haus.
Mit „Lieber Kurt Hans" beginnen in der Regel die Barth-Briefe an Biedenkopf, doch dann wird der gute Freund in der Regel unverfroren. „Entgegen der gestern besprochenen Strategie, dass Du nur für zwei Objekte im Moment tätig werden kannst", schreibt er am 12. November 1990 "muss ich Dich leider bitten noch für einige andere Dinge Deinen Einfluss geltend zu machen". Die unbürokratischen Sitten, einen Regierungschef für persönliche Geschäfte einzuschalten, hielt Barth auch 1995 aufrecht. So intervenierte Barth bei Biedenkopf, um das Oberschulamt Leipzig in seinem Bürocenter Paunsdorf unterzubringen, ob wohl durch die Wahl eines anderen Standortes ein Mietvorteil von 650.000 Mark auf zehn Jahre für den Freistaat erzielt wurde. Barths Finanztreuhand setzte auf die Dienste der letzten DDR-Finanzministerin Uta Nickel, Chefin der Uniproject-Consult. Deren Auskünfte über den konkurrierenden Immobilienanbieter sollten Biedenkopf zum Umschwenken veranlassen. Er kenne Nickel kaum, hatte Biedenkopf bei seiner Vernehmung im Februar gesagt. Dienstwege kannte Barth nicht, wenn er sächsischen Behörden Beine machen wollte. Biedenkopf reagierte prompt, wies an, reichte Aktennotizen weiter und war auch für Barth zu erreichen, als dieser mit ihm am 27. September 1993 im Bonner Maritim-Hotel über Grundbuch-Angelegenheiten sprechen wollte.
Biedenkopf müsse wieder vor dem Ausschuss erscheinen, verlangt Hahn. Unvergessen ist für ihn, dass gegen den Willen des Landeskriminalamtes eine eineinhalbjährige Ermittlung in Sachen Paunsdorf wegen Untreue-Verdacht zu Lasten des Landes eingestellt worden ist. Ungeklärt sei die Frage, warum sich Biedenkopf weit über einen Freundesdienst für Barth stark gemacht habe. Der sei kein Investor gewesen, weil ihm Biedenkopf mit der Behörden-Anmietung jegliches unternehmerische Risiko abgenommen habe.
(Hubert Kemper)