Karl Nolle, MdL
BILD - Zeitung Dresden, 10.12.2001
Herr Milbradt, was tun Sie gegen die Arbeitslosigkeit?
Interview mit Sachsens CDU-Chef
BILD: Sie und Ministerpräsident Kurt Biedenkopf verband eine enge Männerfreundschaft Bis er sie öffentlich als miserablen Politiker bezeichnete und als Finanzminister entließ. Seit zwei Monaten sind sie gegen seinen erklärten Willen Sachsens CDU-Vorsitzender. Eine Belastung?
Milbradt: Lassen wir die Vergangenheit. Der Ministerpräsident und der Parteivorsitzende haben unterschiedliche Aufgaben. Wir haben eine Arbeitsteilung. Das funktioniert auch, da unsere sachpolitischen Vorstellungen in hohem Maße übereinstimmen. Im Übrigen bin ich kein Konkurrent Biedenkopfs, der spielt schon von der Altersklasse her in einer anderen Liga.
BILD: Biedenkopf hat angekündigt, bei der nächsten Wahl nicht mehr anzutreten. Stehen Sie als Kandidat für die Ministerpräsidenten-Nachfolge zur Verfügung?
Milbradt: Darüber wird die Partei nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten nach den Bundestagswahlen entscheiden.
BILD: Was will ihre Partei tun, um nicht die 56,9 Prozent der letzten Wahl zu verspielen?
Milbradt: Wir sind eine sehr erfolgreiche Partei. Bei zukünftigen Wahlen können wir aber nicht allein auf unsere unbestreitbaren Erfolge verweisen. Die Wähler wollen klare Aussagen für die Zukunft und Politiker, die diese glaubhaft vertreten.
BILD: Sie haben gegen Biedenkopfs Kronprinzen Steffen Flath den Parteivorsitz gewonnen. Glauben Sie, dass die Auseinandersetzung der Sachsen-CDU geschadet hat?
Milbradt: Nein, im Gegenteil. Der innerparteiliche Wettbewerb um die besten Ideen und Köpfe interessiert auch die Bürger. Wenn man fair miteinander umgeht, wie Steffen Flath und ich, gewinnt die Partei. Heute ist er mein Vize und wir arbeiten gut zusammen. Gräben gibt es nicht
BILD: Landesmutter Ingrid Biedenkopf gehört längst zum politischen Alttag in Sachsen. Warum verstecken Sie eigentlich Ihre Frau die ganze Zelt?
Milbradt: Meine Frau ist Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden. Sie hat ihr eigenes Aufgabengebiet und viel zu tun.
BILD: Wie wohnen Sie eigentlich? Villa mit Personal?
Milbradt: Wir haben ein Haus im Dresdner Stadtteil Pappritz gebaut. Modem im Bauhausstil mit vielen Fenstern und in nüchternem Weih Grau gehalten. Übrigens bar bezahlt, weil wir unser Haus im Westen verkauft haben.
BILD: Stichwort Paunsdorf-Center. Fühlen Sie sich da von Biedenkopf angeprangert, wenn er sagt, das war eine Entscheidung des Finanzministeriums?
Milbradt: Nein. Sachsen hat historisch bedingt kaum Immobilien in Leipzig. Wir mussten aber Anfang der 90er Jahre auf einen Schlag viele Behörden unterbringen und die Büromieten waren noch sehr hoch. Auch an anderen Standorten mussten wir damals hohe Mieten akzeptieren.
BILD: Mit der Wirtschaft geht’s bergab in Sachsen. Für Leipzig ist die Prognose düster, BMW kommt erst in vier Jahren. Was ist bis dahin?
Milbradt: Mit der Wirtschaft geht es bei uns nicht bergab. Wegen des Schrumpfen beim Bau gibt es allerdings zur Zeit auch kein weiteres Aufholen zum Westen. Industrieansiedlung a la BMW helfen uns natürlich. Aber unsere mittelständischen Betriebe müssen weiter wachsen, denn dort ist die Masse der Arbeitsplätze. Gerade wegen des Einbruchs beim Bau sollten wir die noch bestehende Lücke in der Infrastruktur, insbesondere im Verkehr, schließen. Da haben wir noch für mindestens 15 Jahre Arbeit. Ich plädiere auch für Abgabenerleichterungen, besonders bei Niedriglohn-Jobs. Der Staat belastet Arbeit zu stark durch Steuern und Sozialabgaben und macht sie so sehr teuer. Dann ist es für die Unternehmen oft billiger, eine Maschine einzusetzen als einen Arbeitslosen einzustellen.
BILD: Was empfehlen Sie heute einem Unternehmer?
Milbradt: Sich stärker um Nachwuchs und qualifiziertes Personal kümmern. Zurzeit haben viele Unternehmen noch eine überalterter Belegschaft und relativ wenig Neueinstellungen. Das ändert sich bald. Ab 2007 gibt es dann nur noch die Hälfte der heutigen Zahl an Schulabgängern und einen zunehmenden Mangel an Arbeitskräften
BILD: Welchen Rat würden Sie einem 50-jährigen Arbeitslosen geben?
Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, wenn er sich heute Arbeit im Westen Deutschlands sucht.
BILD: Wie sehen Sie die Rolle der PDS?
Milbradt: Sie verhält sich rein opportunistisch, wie eine Protestpartei. Sie kann unsere Probleme nicht lösen. Die CDU sollte sich stärker mit ihrem Programm und Personen auseinandersetzen. Sie allein als Nachfolgepartei der SED zu bezeichnen reicht allein nicht aus.
BILD: Was denken Sie eigentlich, wenn Biedenkopf in der Öffentlichkeit den Leipziger OB Tiefensee lobt?
Milbradt: Die Leipziger Oberbürgermeister haben sich seit 1990 um ein gutes Verhältnis zur Staatsregierung bemüht. Das ist gut so, denn Leipzig kann ohne kräftige Unterstützung durch die Regierung keinen Erfolg hoben und Sachsen braucht Leipzig. Ich habe daher gut bei den großen Projekten Flughafen, Messe, Landesbank, City-Tunnel und Industrieansiedlung mit Leipzig zusammen gearbeitet.
(BILD-Zeitung)