Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 10.12.2001
König Extrawurst
Wie Kurt Biedenkopf ein Möbelhaus in Verlegenheit brachte
Kurt Biedenkopf wird immer wunderlicher. Am Samstag berichtete die Sächsische Zeitung, wie der 71-jährige Ministerpräsident von Sachsen mit Gemahlin Ingrid vor einer Woche im Dresdner Ikea-Möbelhaus einkaufen war. Ihr Auftritt muss sagenhaft gewesen sein: Das alte Regentenpaar hatte für 880 Mark Möbel gekauft und wackelte zur Kasse. Dort angekommen, beglichen die beiden nicht sofort die Rechnung, sie bestanden auf einem Rabatt. Die Verkäuferin erklärte dem Landesherrn geduldig, dass es bei Ikea keine Vergünstigungen gebe, prinzipiell nicht, die Preise seien eng kalkuliert.
Aber nicht mit Professor Kurt Hans Biedenkopf! "Ikea", muss es dem Querdenker durchs Hirn geschossen sein: "Ich Kriege Es Aber". Biedenkopf, seit seiner Billigmietaffäre im Sommer vom Freistaat um 120 000 Mark Wiedergutmachung erleichtert, feilschte das Personal nieder wie in seinen besten Tagen als Tarif-Schlichter. Die Kassiererin wandte sich an die Oberkassiererin. Die Schlange an der Kasse wuchs, die Kunden murrten. Die Oberkassiererin suchte Hilfe beim Kundenservice. Und der gab entnervt klein bei.
Kurt Biedenkopf, der alte Tausendsassa, hatte das Unmögliche möglich gemacht. Er war in die Geschichte des schwedischen Möbelhauses eingegangen als "König Extrawurst", der erste Prominente, dem ein Rabatt gewährt wurde: 15 Prozent. Der Landeschef hatte zwar etliche Ikea-Mitarbeiter in tiefste Verlegenheit gestürzt, aber was tut man nicht alles für 132 Mark. Die Ikea-Zentrale bestätigte der Sächsischen Zeitung, dass es so etwas noch nie gegeben habe. Vergünstigungen für Promis entsprächen nicht den Gepflogenheiten des Hauses. Eigentlich würden bei Ikea alle Kunden gleich behandelt, sagte der Geschäftsführer. Und dass Politik bei Ikea nichts zu suchen habe. Aber es sei nun mal passiert. Eine Ausnahme, die Mitarbeiter seien nervös gewesen, als der leibhaftige Biedenkopf vor ihnen stand.
Die Dresdner Staatskanzlei, schon lange damit überfordert, das zunehmend seltsame und ungenierte Verhalten Biedenkopfs zu erklären, bewertete die Revolte im Möbelhaus in einer ersten Stellungnahme als dessen "Privatangelegenheit". Später schob Regierungssprecher Michael Sagurna nach, bei der Aktion habe es sich "überwiegend" um Weihnachtseinkäufe für einen karitativen Verein gehandelt, für den sich die Landesmutter engagiere.
Ikea muss sich mit dem Trost begnügen, durch den einmaligen Rabatt womöglich Schlimmeres verhindert zu haben. In Dresden schließt man nicht mehr aus, dass die Biedenkopfs andernfalls den schwedischen Botschafter zum Rapport einbestellt hätten.
(von Bernhard Honnigfort)