Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 11.12.2001

So einen Rabatt kriegt sonst keiner

Biedenkopf versteht es schon lange, den Amtsbonus in seinen persönlichen Vorteil zu verwandeln
 
DRESDEN. Manchmal kann der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt, auch ein Rabatt sein, den man sich gegen alle Widerstände ertrotzt Genau 132 Mark an Rabatt hat der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf bei einem Ikea-Einkauf in Dresden herausgehandelt. Dafür hat er den Betrieb an den Kassen lange aufgehalten und die Peinlichkeit auf sich genommen, dass alle drumherum es bemerkten. So einen Rabatt kriegt dort sonst keiner. Die Mitarbeiter seien eben nervös gewesen, als der Ministerpräsident persönlich vor ihnen stand, sagte eine Ikea-Sprecherin zu Journalisten.

An diesem Satz wird deutlich, wie peinlich die Angelegenheit ist. Es liegt die Vermutung nahe, dass hier eine Art besonderer Amtsbonus eingefordert wurde. Deshalb macht das Schlagzeilen: Weil die Leute wissen, dass ihnen solche Wege im Alltag nicht offen stehen, empört sie die Angelegenheit weitaus mehr als alle Affären zuvor. Politisch relevant ist diese Sache nicht. Aber sie passt doch
in die Reihe der Affären des Ministerpräsidenten, deretwegen jeder Regierungschef in einem anderen Bundesland längst sein Amt aufgegeben hätte. Wie schon bei der Affäre um seine Dienstwohnung zeigt der Ministerpräsident wenig Sensibilität. Dabei fehlt es nicht nur an der gebotenen Zurückhaltung; es verfestigt sich vielmehr der Eindruck, dass Biedenkopf und auch seine dünkelhafte Frau ihre herausgehobene Position gezielt zum eigenen Vorteil genutzt haben.

Sehr deutlich hat sich das nach gut einem Jahr Arbeit im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss herausgestellt. In Paunsdorf hat ein enger Freund des Ministerpräsidenten ein Behördenzentrum gebaut. Biedenkopf stellt diesen Bau gern als großherziges Engagement des Unternehmers in Sachsen da. Ein großes Risiko ging dieser indes nicht ein. Denn die solventen Mieter für seine Immobilie stellte der Staat, sie wurden vor Baubeginn garantiert. Biedenkopf selbst sorgte maßgeblich dafür, dass Behörden einziehen mussten, deren Neigung dazu sehr gering war. Wie weit diese Einflussnahme zugunsten seines Freundes ging, hätte der Ministerpräsident offenbar gern verschwiegen; er gab dem Ausschuss nicht vollständig Auskunft. Es gibt zudem mittlerweile sehr berechtigte Zweifel an der Wahrhaftigkeit seiner Darstellung.

Längst spürt man in der sächsischen Union, dass diese Affären des Ministerpräsidenten für die Partei zu einer großen Belastung werden. Doch es ist niemand da, der dem Ministerpräsidenten beizubringen vermag, dass es Zeit ist, die Konsequenzen zu ziehen. Der von ihm im Januar geschasste Finanzminister Georg Milbradt hat zwar den Kampf um den Landesvorsitz gewonnen und gilt wieder als aussichtsreichster Kandidat für Biedenkopfs Nachfolge. Doch er hat keinen Zugang mehr zu Biedenkopf und möchte zudem nicht als Königsmörder an die Spitze kommen. Wer aber noch seine Gunst genießt, ist Biedenkopf allzu ergeben oder zu jung, als dass er dessen Meinung ernst nehmen würde.

Der Ministerpräsident kann die Sachsen-Union nur selbst befreien - sonst steht dem Land politische Agonie bevor.
(Jens Schneider)