Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 31.12.2001
Biedenkopfs plaudern über Rabatte
Sachsens Ministerpräsident und seine Frau deuten ihren baldigen Rückzug aus Sachsen an
Dresden. Selbst die Werbebranche macht schon Witze. "Andere Möbelhäuser geben nur Ministerpräsidenten Rabatt. Bei uns bekommen alle zehn Prozent Ministerrabatt", tönt seit ein paar Tagen ein Möbelhändler im Radio in Anspielung auf den 15-Prozent-Preisnachlass, den sich Kurt und Ingrid Biedenkopf bei Ikea geben ließen. Stefan Raab und Thomas Gottschalk blödeln im Fernsehen über das sächsische Regentenpaar, in den Reihen der Union kursieren Scherze über die Billigeinkäufe der Landesmutter. Sie selbst macht daraus keinen Hehl: "Ich bin sparsam. Ich habe immer versucht, Dinge preiswert zu erstehen", sagte die 70-Jährige jetzt im Interview mit der "Welt am Sonntag". Sie werde es wieder tun und habe ein reines Gewissen:"Was ich gemacht habe, habe ich für andere Menschen getan."
Dennoch: Der Ruf des Regierungschefs ist landauf, landab auf einen neuen Tiefstand gesunken. Da verwundert es nicht, wenn Biedenkopf jetzt öffentlich über einen baldigen Rückzug nachdenkt. "Die Dinge nähern sich einem Punkt, an dem man sich fragt, ob das alles noch Sinn macht", sagte der 71-Jährige in dem gestern veröffentlichten Interview. Er werde in den nächsten Wochen darüber nachdenken und sich mit Freunden beraten, "wie man erreichen kann, dass sich unser Sachsen weiter so gut entwickelt".
Eigentlich habe er schon 1999 aufhören wollen und klebe nicht am Ministerpräsidenten-Sessel. In seiner Neujahrsansprache betont der Regierungschef zudem, es sei das letzte Mal, dass er zum Jahreswechsel zum MDR-Publikum sprechen dürfe. Über Biedenkopfs baldigen Rückzug wird seit Wochen in Dresden spekuliert. Einzelne Unions-Abgeordnete hatten unlängst seinen Rücktritt gefordert, auch der Parteichef und potenzielle Nachfolger als Ministerpräsident, Georg Milbradt, soll Biedenkopf ein baldiges Aufgeben nahe gelegt haben.
Doch es war nicht nur die Ikea-Affäre, sondern bereits der Umgang mit Personal, Dienstwagen und Wohnung in der Schevenstraße, der das Ehepaar unter Druck setzte. Ingrid Biedenkopf plaudert nun aus, dass das Staatspersonal im Privathaus der Familie am Chiemsee auch dort war, um sie zu entlasten. "Aber uns hat nie jemand gesagt, dass das ein Problem werden könnte." Gatte Kurt räumte indes ein: "Sicher haben wir auch Fehler gemacht. Ich hätte mich wohl mehr um die Einzelheiten kümmern müssen." Aber es sei eine "unglaubliche Boshaftigkeit, wie jetzt eine Meute über meine Frau herfällt. Das ist Rufmord." Seine Frau flüsterte derweil: "Ach, Schätzchen, nicht doch."
Eine neue Darstellung erfährt die Öffentlichkeit nun auch über die Hintergründe des Ikea-Rabatts. Der Nachlass sei vom Dresdner Vize-Geschäftsführer "auf Anfrage vorgeschlagen" worden, sagte Kurt Biedenkopf. Sonst hätten sie nie Rabatt verlangt. Seine Gattin sieht das anders: "Wieso denn nicht, Kurt? Wenn man sparen kann, soll man das tun und das Geld sinnvoll für soziale Zwecke einsetzen."
Wenn die Zeit der Biedenkopfs abgelaufen ist, werden sie offenbar nicht mehr so häufig in Sachsen anzutreffen sein. "Ich bin jetzt fast 72, und mir gefällt es am Chiemsee sehr gut", schwärmte der Regierungschef. Nach dem Rücktritt will er die vergangenen zehn Jahre auswerten und sich dem Transformationsprozess und den Folgen der Bevölkerungsentwicklung widmen. Außerdem möchte er seine Tagebücher aufarbeiten. Während der erste Band bereits erschienen ist, gilt es, 19 weitere durchzusehen. Biedenkopf: "Am letzten Band arbeite ich gerade. Er hat schon 350 Seiten." Allzu viele dürften nun nicht mehr hinzukommen.
(von Sven Heitkamp)