Karl Nolle, MdL
BILD-Zeitung Dresden, 16.01.2002
Hier erklärt Biedenkopf heute seinen Rücktritt
Bibelverse und der Blick auf Schloss
DRESDEN. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (71, CDU) hat heute seinen schwersten Tag. Der CDU-Fraktion im Landtag will er den Termin für seinen Rücktritt erklären. Möglicherweise bereits für März!
Wie läuft dieser wichtige Tag heute ab?
Kurz vor 10 Uhr gehen die 76 CDU-Abgeordneten (darunter 4 Minister) durch die Milchglas-Tür in den Raum A 600. Ein Sitzungssaal im 6. Stock mit einer riesigen Fensterfront. Grandioser Canaletto-Blick auf Semperoper und Schloss.
Vor den Fenstern nimmt das Präsidium platz: Fraktionschef Fritz Hähle (59) in der Mitte, links daneben der Ministerpräsident. Von der Decke hängen Mikrophone herab. Einige Abgeordnete blicken auf das schlichte Kruzifix an der Wand.
Fritz Hähle beginnt die Sitzung mit den Herrnhuter Losungen: Verse aus dem Alten Testament. Die Losung für den heutigen Tag (5. Buch Moses 32,7) klingt fast wie ein Rat an Biedenkopfs Nachfolger: „Gedenke der vorigen Zeit und hab acht auf die Jahre von Geschlecht zu Geschlecht. Frage deinen Vater, der wird dir es verkünden, deine Ältesten, die werden dir es sagen..." Dann kommt der Landesvater dran. Biedenkopf gibt seine Erklärung ab. Es folgt eine ca. 1 1/2 Stunden dauernde Diskussion.
Gegen 12 Uhr will der MP vor die Presse gehen. Damit steht der genaue Tag des Rücktritts endgültig fest.
Bekannt ist bisher nur Bikos letzter offizieller Arbeitstermin: ein Besuch bei den sächsischen Soldaten auf den Balkan Ende Februar. Danach wäre die Amtsübergabe an den Nachfolger jeder Zeit drin. Aussichtsreichster Kandidat ist CDU-Chef Georg Milbradt.
Trotz seines Rücktritts komme auf Biedenkopf neuer Ärger zu. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete gegen ihn Vorermittlungen wegen des Verdachts der Untreue ein. Der MP soll noch immer zu wenig Miete für seine Villa in der Schevenstraße bezahlt haben.
Die Biedenkopfs wohnten Im Gästehaus der Staatsregierung über Jahre für 8,15 Mark kalt, nutzen Koch und Putzfrau praktisch umsonst. Im Frühjahr zahlte der MP zwar 120 00 Mark an die Landeskasse nach. Doch für die SPD war der Betrag immer zu gering. Biko habe wohl schon wieder Rabatt bekommen...
(Bernd Schullcke)