Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 17.01.2002

Milbradt hat noch keine Mehrheit

Partei in der Krise
 
DRESDEN. Entsetzt hielten in der CDU-Fraktion viele den Atem an, als Biedenkopf seine Angriffe gegen Parteichef Milbradt startete. Sie wurden mit Schweigen quittiert und ohne Applaus. Von einer „Kriegserklärung" sprachen nachher mehrere Abgeordnete. An eine Attacke wie mit dem Baseballschläger fühlte sich einer erinnert. Einen „Kampf bis aufs Messer" erwartet ein anderer.
Auch der Beifall nach Biedenkopfs kurzem Vortrag hielt sich in Grenzen. Er wurde erst freundlicher, nachdem Fraktions-Chef Fritz Hähle dem bald aus dem Amt scheidenden Ministerpräsidenten gedankt hatte, wie Teilnehmer der Sitzung berichteten. Ex-Innenminister Heinz Eggert schimpfte nachher: „Mich ärgert die Geringschätzung der sächsischen Union." Der Leipziger Abgeordnete Volker Schimpff sagte der Morgenpost: „Heute ist massiv versucht worden, die CDU zu spalten. Wir werden jetzt alles tun müssen, um Partei und Fraktion auf dem Boden demokratischer Entscheidungen zusammenzuhalten."

Die Lage in der Regierungsfraktion ist deshalb so kritisch, weil der voraussichtliche Nachfolgekandidat Milbradt dort noch keine gesicherte Mehrheit hat - obwohl die CDU 76 der 120 Abgeordneten im Landtag stellt.

Nach seiner Wahl zum Parteichef rechnet Milbradt fest damit, dass die Sachsen-CDU ihn auch zum Kandidaten für die Biedenkopf-Nachfolge nominiert. Danach will er sich einfach nicht vorstellen, dass Fraktion und Partei in der Frage auseinander fallen: „Das wäre das Ende der Regierungsfähigkeit. Dann hätten wir die Situation von Neuwahlen."

PDS-Fraktions-Chef Peter Porsch freut sich schon auf Streit in der CDU. Lächelnd träumt er von einer CDU-Regierung unter Duldung der PDS. Milbradt könne ja einmal mit ihm reden. Unter vernünftigen Bedingungen wäre die PDS durchaus bereit, einem neuen Mann zur Mehrheit zu verhelfen.
(Morgenpost)