Karl Nolle, MdL

Deutschlandfunk , 19:05, 16.01.2002

Biedenkopfs grollender Rückzug

Ein Kommentar von Bernhard Holfeld
 
Es ist nicht zu fassen. Kurt Biedenkopf hat den Medienrummel um die Bekanntgabe seines Rücktrittstermins dazu benutzt, den eigenen Landesparteivorsitzenden anzugreifen. Er hat versucht seinen früheren Finanzminister und jetzigen sächsischen CDU-Chef Milbradt zu demontieren, als zerstörerisch und eigensinnig hinzustellen. Aber vielmehr ist es so, dass diese Vorwürfe Biedenkopfs auf ihn selbst zurück fallen.

Biedenkopf hatte heute die Chance trotz aller Affären, trotz der eigenen Fehler im vergangenen Jahr einen honorigen Abgang hin zu legen. Er kann auf Verdienste hinweisen beim Wiederaufbau des zu DDR-Zeiten vernachlässigten Landes. Er kann auf die Ansiedlung großer Unternehmen verweisen, aber er stänkerte gegen seinen designierten Nachfolger, der ihm nicht genehm ist.

Dabei war es wieder einmal Kurt Biedenkopf, der ohne Einverständnis seines Gegenübers aus Vier-Augen-Gesprächen öffentlich zitierte - nur, weil ihm die geäußerte Kritik nicht passte. Wiederholt in dieser Weise die Vertraulichkeit zu verletzen - und das nicht zufällig zweimal gegenüber Georg Milbradt - das ist würdelos. Selbst wenn der Noch-Ministerpräsident seinen Ex-Finanzminister nicht für geeignet hält als Landesvater. Er hätte zumindest Fairness und Anstand bewahren müssen. Wenn er mit einem Satz sagt, er mische sich nicht in die Nachfolgedebatte ein, und doch im nächsten Satz den Favoriten seiner Partei Georg Milbradt angreift, dann lügt er.

In Teilen der CDU-Landtagsfraktion sind die Angriffe jedenfalls als eine Kriegserklärung Biedenkopfs an die Landesparteispitze verstanden worden. Da ist Angst im Spiel, die bisher vor allem auf Biedenkopf begründete Macht der CDU könnte bröckeln, wenn kein Friede unter den sächsischen Christdemokraten einzieht. Und diese meinen damit Biedenkopf selbst, der endlich wieder Frieden geben soll. Die Sachsen sind gewarnt. Ihre Parteifreunde aus Nordrhein-Westfalen kennen das Schauspiel schon. Auch dort hatte Biedenkopf, als es in den 80er Jahren mit seiner Macht zu Ende ging, stellenweise verbrannte Erde hinterlassen.

Tatsächlich ist das eine der beiden realistischen Möglichkeiten, wie es weiter gehen könnte und vor der der sächsischen CDU graut: Selbstzerstörung, wenn der mehrfache Professor und Ehrendoktor nicht nachgeben kann. Die andere Möglichkeit ist, dass der neue Mann Milbradt sich gerade vor dem Hintergrund des grollenden und nachtretenden Vorgängers als friedensstiftender Landesvater profilieren kann. Zweieinhalb Jahre bis zur nächsten Landtagswahl sind genug Zeit, um sich einen Ministerpräsidenten-Bonus zu erarbeiten. Voraussetzung: Milbradt kann die Partei hinter sich vereinen, die im vergangenen Jahr aufgerissenen Gräben zuschütten - und vorausgesetzt Biedenkopf stänkert nicht weiter im Hintergrund.

Der Zufall will es, dass in Dresden das berühmte Denkmal Augusts des Starken "Der Goldene Reiter" gerade vom Sockel geholt worden ist. Rost fraß in dem Königsbild von innen, es drohte einzustürzen. Wohl gerne würden die Sachsen König Kurt ein Denkmal setzen. Sogar die Opposition vergaß auch heute nicht, die Verdienste Biedenkopfs zu erwähnen - bei aller aktuellen Kritik. Die CDU hatte im letzten Wahlkampf noch voll auf Biedenkopf gesetzt. Auf manchen Plakaten stand sogar nur sein Name, ohne dass ein CDU-Logo mit darauf gemalt worden wäre. Wenn dieses Denkmal Biedenkopf einstürzt, dann fehlt der CDU ein wichtiges Element für ihren Zuspruch im Lande. Auch deswegen das Bestreben nach einem harmonischen Übergang.

Nur einer störte dies heute: Kurt Biedenkopf. Um der schnöden Abrechnung mit einem, der ohne königliche Erlaubnis aufzumucken wagte, arbeitet Biedenkopf daran, sein Denkmal zu verhindern, sein Andenken zu zerstören. Dass der Parteivorsitzende mit ihm unter vier Augen über Rücktritt gesprochen habe, sei ein einmaliger und unerhörter Vorgang in Deutschland meinte Biedenkopf. Einmalig und unerhört daran ist aber nur, dass Biedenkopf sich in einer Sphäre der Unangreifbarkeit wähnte, in der ihm solches als unerhört und einmalig erschien.

Vielleicht sehen ihm die Sachsen auch dies in ihrer Gutmütigkeit nach und erinnern sich an den letzten sächsischen König. Friedrich August III hatte bei seiner Entmachtung 1918 den Aufständischen gesagt: "Macht euern Dreck doch alleene." Und er hielt sich zurück. Jetzt wo die Abdankung absehbar ist, wäre das vielleicht ein Vorbild für Kurt Biedenkopf.