Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 01.03.2002
Zwickau: OB Vettermann stellt Zwickaus CDU vor Rätsel
Oberbürgermeister Dietmar Vettermann (CDU) der künftige Sachsen-Premier? Der Nachfolger von „König Kurt“? Seit 6.30 Uhr am Freitag klingelte fast pausenlos des Telefon im Rathaus: Rund 20 Medienvertreter wollten eine Erklärung von jenem Mann haben, der Georg Milbradt beim Kampf um den Sessel des Ministerpräsidenten herausfordert.
Um 10.30 Uhr Vettermanns Pressekonferenz: Er sei gerne Zwickaus OB. Dennoch trete er gegen Milbradt an, damit die CDU eine Alternative habe. Dabei rechne er sich durchaus Chancen aus, wenngleich „Milbradt Favorit ist“. Während der OB das sagte, wartete sein Fahrer Reinhard Heil mit dem Dienst-Audi schon vor dem Rathaus: Mittags ging’s ab nach Dreden zur Landespressekonferenz.
Erst am Donnerstag hat sich Vettermann entschieden, den Hut in den Ring zu werfen. Mit Biedenkopf habe es keine Gespräche gegeben, ebenso wenig mit Amtsvorgänger Rainer Eichhorn und dem Kreisverband. Nur die Familie sei eingeweiht gewesen. Gattin Birgit unterstütze ihn.
Weniger erfreut reagierte am Freitag der Zwickauer CDU-Kreisvorsitzende Michael Luther. Er warf Vettermann einen Alleingang zum Nachteil der CDU vor. „Der Vorstand des Kreisverbands hat sich für Milbradt entschieden. Nun das“, so Luther. „Ich traue Milbradt des Ministerpräsidentenamt zu.“ Die neue Lage wird der Kreisverband am Montag diskutieren.
Dabei war Luther maßgeblich daran beteiligt, dass Vettermann überhaupt Zwickaus OB geworden ist. Um Rainer Eichhorn zu beerben, hatte sich CDU-Fraktionschef Frank Seidel von seiner Partei als OB-Kandidat nominieren lassen wollen. Doch an der Person des Frank Seidel schieden sich damals ebenso die Geister wie jetzt an der Person des Georg Milbradt. Vettermann, von Parteifreunden (vor allem von Luther) ermuntert, sprang in die Bresche, trat gegen Seidel an, siegte, wurde CDU-Favorit und schließlich OB. Wie sich die Bilder gleichen: Auch jetzt wird Vettermann ermuntert, gegen einen Kandidaten aus den eigenen Reihen, eben Milbradt, anzutreten. Auch jetzt springt er in die Bresche. Auch jetzt sagt er Ja.
Sollte der 44-Jährige erneut gewinnen, kommt es in Zwickau zu OB-Neuwahlen. Schon spielt der Name von Frank Seidel wieder eine große Rolle. Auf Anfrage von „Freie Presse“ zeigte sich der Fraktionschef der Union bereit, sich als Kandidat fürs höchste Amt in der Stadt aufstellen zu lassen - falls die Partei es wünsche.
Und Kerstin Nicolaus, die CDU-Landtagsabgeordnete, die als Nachfolgerin von Sozialminister Hans Geisler gehandelt wird? „Ich ahnte nichts von Vettermanns Schritt. Ich kann seine Entscheidung noch nicht einordnen“, war sie völlig perplex.