Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 11.03.2002
Eine Ära ist zu Ende
Zusammengesunken wie ein kleiner Buddha wohnte Biedenkopf in Dresden der Nominierung seines Nachfolgers Milbradt bei
DRESDEN. Sachsens CDU-Landesvorsitzender Georg Milbradt soll nach dem Willen seiner Partei Nachfolger von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf werden. Ein Sonderparteitag nominierte den 57-Jährigen am Wochenende klar mit 166 von 233 gültigen Stimmen für die Wahl des neuen Regierungschefs Mitte April. Ein Erfolg für Milbradt, eine weitere Niederlage für Biedenkopf.
Was war Kurt Biedenkopf knurrig. "Ich bin stolz auf die CDU", brummelte der sächsische Ministerpräsident in die Reportermikrofone, nachdem ihm seine Partei gerade wieder einmal gezeigt hatte, dass es vorbei ist mit seiner Herrlichkeit. Am Samstagmittag war das, im alten Terminal des Dresdner Flughafens. Biedenkopf hatte gerade Milbradt, dem sächsischen CDU-Vorsitzenden, die Hand geschüttelt und gratuliert. Der Sonderparteitag hatte Milbradt nach kurzer Debatte zum Nachfolgekandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten gewählt: 166 von 233 gültigen Stimmen für ihn, 67 für Biedenkopf. Macht 71,24 Prozent für, 28,76 Prozent gegen Milbradt.
Für den 72-jährigen Biedenkopf war das wieder eine Niederlage gegen den Parteichef, den der Ministerpräsident vor gut einem Jahr ohne plausible Begründung als Finanzminister aus seinem Kabinett gefeuert hatte. Alles mögliche hatten Biedenkopf und seine Mitarbeiter in der Staatskanzlei unternommen, um Milbradts Wiederaufstieg zu verhindern. Alles vergebens: Die CDU wählte ihn im September zum Vorsitzenden gegen einen Kandidaten Biedenkopfs.
Nach einem Jahr der Affären und Schlammschlachten hatte es die Partei satt. Und als Biedenkopf im Januar sein Rücktrittsdatum 18. April verkündete und dabei wie ein schlechter Verlierer über die eigene Partei herzog, war auch das letzte bisschen Mitleid dahin. Bis auf Kreisverbände im Vogtland und Erzgebirge, die Biedenkopf blind die Treue hielten, hatte sich die Mehrheit der CDU von ihrer früheren Lichtgestalt abgewandt und hinter Milbradt gesammelt.
Kein Minister und kein Abgeordneter hatte es noch gewagt, sich von Biedenkopf ins Rennen gegen Milbradt schicken zu lassen. Auch der große Zauderer, Finanzminister Thomas de Maiziere, blieb auf dem Parteitag stumm. Da half auch nicht der Überraschungskandidat Dietmar Vettermann. Der 44-jährige Oberbürgermeister von Zwickau, vor einer Woche kurzerhand angetreten, versagte komplett.
Milbradt hielt eine trockene Rede, fast eine Regierungserklärung. Mit dem Fazit: Er will Sachsen so weiter regieren wie sein Vorgänger in den vergangenen zwölf Jahren. Er appellierte an die CDU, forderte Geschlossenheit und einen Schlussstrich unter die Zankereien. Er machte allen innerparteilichen Gegnern ein Friedensangebot - und das war es.
Es gab eine kurze Aussprache zu den Reden der Kandidaten. Biedenkopf saß zusammengesunken wie ein kleiner Buddha in der ersten Reihe, nickte ab und zu, wenn ein Delegierter aus dem Vogtland erklärte, die CDU stehe vor einem gewaltigen Problem, weil Biedenkopf 2004 nicht mehr zur Landtagswahl kandidiere. Ansonsten hielt er sich aus allem raus.
Die Ära Biedenkopf ist vorbei. Im Landtag will er am 17. April seine große Abschiedsrede halten. Am 18. April wählt das Parlament höchstwahrscheinlich Milbradt zu seinem Nachfolger, was dann die letzte Niederlage Kurt Biedenkopfs in Sachsen wäre. Die CDU verfügt über 76 der 120 Sitze. Nach dem überzeugenden Wahlergebnis können es sich die Milbradt-Gegner eigentlich nicht mehr erlauben, ihn zu kippen.
(Bernhard Honnigfort)