Karl Nolle, MdL
Sächsischer Bote Dresden , 38. Woche, 18.09.2002
Als Kritiker wird man schnell zum Schwarzen Schaf
Hausbesuch des „Sächsischen Boten" bei Karl Nolle, Landtagsabgeordneter und Wirtschaftssprechen der SPD-Fraktion
(Der „Sächsische Bote" besuchte bereits Erich Iltgen, Landtagspräsident; Dr. Matthias Rößler, Staatsminister; Steffen Heitmann, Staatsaninister a.D.; Ex-Oberbürgermeister Herbert Wagner und Dr. Marlies Volkmer, Landtagsabgeordnete und SPD-Chefin für Dresden. Unlängst war Heinz Hälbig zu Gast bei Karl Nolle in Dresden, SPD-Landtagsabgeordneter.)
Im Druckhaus neues Zuhause
Im Dachgeschoss des Druckhauses, das mit viel Liebe und hohem finanziellen Aufwand saniert wurde, fand Familie Nolle in Dresden ihr neues Zuhause. Eine großzügig und modern eingerichtete Wohnung, das Reich der Ehefrau. Wenn diese dann die Treppen hinab geht, ist Frau Nolle berufstätig: Geschäftsführerin von Druckerei und Verlag. Oft ein langer Arbeitstag, aber sie hat alles im Griff, Familie und Beruf, wie die Leute erzählen, die mit ihr zu tun haben. Auch den Ehemann, der mit seinen 120 Kilo immer etwas bewegen muss?
„Kommt bei der verantwortungsvollen Arbeit im Betrieb und den zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen das Familienleben nicht zu kurz?", fragten wir also Frau Nolle. „Nein, nein", antwortet sie prompt. „Wir haben uns als Jungsozialisten in der SPD (zu dieser Gruppe gehörte auch der jetzige Bundeskanzler Schröder) kennengelernt, und ich selbst wirke auch im SPD-Ortsverband mit. Ich unterstütze die Aktivitäten meines Mannes, da müssen wir schon auf viele Freizeitstunden verzichten. Trotzdem nehmen wir uns Zeit für Konzerte, Theater, Wanderungen und für Spaziergänge mit unserer lieben Hundedame Eske."
Auf das Übergewicht ihres Mannes anspielend, sagte Frau Nolle lachend, dass dicke Menschen gemütlich sind. "Und von einem Mann, den man liebt, kann man als Frau nicht genug haben." Verbleibt noch das jüngste Familienereignis zu melden: Unlängst hat die einzige Tochter, die als Rechtspflegerin arbeitet, das erste Nolle-Enkelkind, eine süße Lili, zur Welt gebracht. (Heinz Hälbig)
Unternehmer und Politiker
Um Karl Nolle ist es seit dem Rücktritt Kurt Biedenkopfs ruhiger geworden, nach dem der von ihm bloßgestellte „König Kurt nach monatelangem Gezerre seinen Hut genommen hat. Er konzentriert sich wieder voll auf seine Rolle als Wirtschaftssprecher der SPD-Landtagsfraktion, hat dort in zwei Studien zum „Mittelstand in Sachsen" und zur „Bevölkerungsentwicklung in Sachsen" wieder von sich Reden gemacht.
Nolles kritische parlamentarische Anfragen, die den Stein des Biedenkopfrücktrittes mit ins Rollen brachte, und seine immer wieder neuen Enthüllungsmitteilungen zu verschiedenen Affären sorgten eine Jahr lang für Presse-Schlagzeilen weit über Sachsen hinaus. Es kam, wie es kommen musste. Biedenkopf ist vorzeitig zurückgetreten und gestand ein, Fehler gemacht zu haben.
Kein „Königsmörder"
In zahlreichen Kommentaren wurde danach Karl Nolle als Sieger genannt. Nolle dazu: „Ich fühle mich nicht als Jäger oder gar Königsmörder. Ich habe das getan, was jeder Landtagsabgeordnete der Opposition tun muss, wenn er seinem Wählerauftrag gerecht werden will. Demokratie ist Kontrolle von Macht. Das habe ich ernst genommen. Manchmal ist staatstragend eben auch, den Regierenden auf die Finger schauen, Missstände beim Namen nennen und so lange anzuprangern, bis sie beseitigt werden."
Wer ist Karl Nolle? Der 57-jährige Druckereibesitzer und Verleger kam nach der politischen Wende nach Dresden, kauft eine konkursreife Druckerei in Striesen (Bärensteines Straße) und entwickelte den Betrieb zu einem modernen, heute marktführenden Unternehmen. In der Druckhaus Dresden GmbH sind gegenwärtig 60 Beschäftigte tätig, davon 9 Azubis.
Ihm gelang auch die Rettung des historischen Lichtdruckes in Dresden. Nolle führt seine Gäste gern in das Souterrain seines Betriebes, wo ein technisches Museum für Drucktechnik mit weltweit letzter Werkstatt für Lichtdruck und andere Kunstdruckverfahren entstanden ist. Das Geld kommt aus der Privatschatulle. Ein kostspieliges Hobby, die Rettung eines Weltkulturerbes. „Für dieses Geld hätte ich mir schon manchen Porsche kaufen können, aber da passe ich sowieso nicht rein", überrechnet der schwergewichtige Kunstmäzen den Aufwand.
Ein Unternehmer
In seinem Betrieb ist manches anders als anderswo. Er initiierte die Gründung einer Gesellschaft für Mitarbeiterbeteiligung. Wer von den gegenwärtig über 60 Beschäftigten Mitarbeitern will kann Betriebsanteile erwerben. Nolle über Nolle: „Unser wichtigstes Kapital sind die Menschen, die in unserem Unternehmen arbeiten und der, Geist, in dem sie es tun!"
Nolle verkaufte seinen Betrieb in Hannover (einige Jahre war dort Bundeskanzler Schröder Teilhaber) und mit dem Geld wagte er, tatkräftig unterstützt von seiner Ehefrau Christa, den Neuanfang in Dresden. Ein gelungenes Experiment mit allerdings großem Kraftaufwand. So weiß der langjährige Sozialdemokrat, wovon er spricht, wenn er im Sächsischen Landtag als Fraktionssprecher für Wirtschafts-und Energiepolitik das Wort ergreift.
Sein Wissen und seine Erfahrungen sind auch im Arbeitgeber-Verband Druck & Medien e.V. für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gefragt. Die etwa 200 Druck- und Medienunternehmer haben ihn mit eindrucksvoller Mehrheit zum Vorsitzenden wiedergewählt.
Nolle engagiert sich auch für die Kunst: als Vorsitzender der Dresdner Bürgergesellschaft für Kulturförderung, im Förderverein des Kupferstichkabinetts, der Gesellschaft für Lichtdruckkunst sowie des Fördervereins für das Berufliche Zentrum für Technik Dresden-Reick.
Der gebürtige Niedersachse hat als Unternehmer und auch als Politiker, eine bewegte Vergangenheit. Mit sozialdemokratischer Erbmasse versehen (der Ur-Großvater musste unterm Kaiser sogar ins Gefängnis) ist er bereits mit 18 der SPD beigetreten, flog aber 23 Jahre später wieder raus, weil er Mitte der achtziger Jahre in Niedersachsen das erreichen wollte, was sein Genosse und Freund Gerhard Schröder zwölf Jahre danach vollzog, eine Koalition mit den Grünen. Nolle trat 1998 wieder in die SPD ein: „Um bei der Reformpolitik für die neue Mitte und den Brückenschlag zwischen Gewerkschaften und Unternehmern meine Erfahrungen als Unternehmer einzubringen."
Als „Biedenkopf-Schreck" fand er auch über seine Partei hinaus viel Anerkennung. Wenn er jedoch als wirtschaftspolitischer Sprecher unbeirrt Positionen vertritt, die ebenso seitens der CDU-Politiker gefordert werden - etwa wenn er die Subventionierung von Niedriglöhnen und das Tariftreuegesetz der Bundesregierung als Abwehrgesetz für die ostdeutsche Wirtschaft kritisiert -wird der verdienstvolle Genosse für manchen zum Schwarzen Schaf.
Kritischer Genosse
Inzwischen fast wiedervergessen, kritisierte er öffentlich die SPD-Landeschefin Constanze Krehl, nachdem sie sich gegen die Forderung der SPD im Landtag, nach dem Rücktritt Biedenkopfs Neuwahlen abzuhalten, wandte und so in der Presse den Fraktionsvorsitzenden Thomas Jurk ins Abseits stellte.
Ob der Unruhestifter Nolle bei nächsten Landtagswahlen in zwei Jahren wieder auf der SPD-Landesliste stehen wird, ist heute nicht sicher. Karl Nolle, nach eigenen Worten „Sozialdemokrat bis auf die Knochen", sagt dazu: „Ich kämpfe für eine moderne, vorwärts gewandte, ehrliche Partei und für pluralistische , lebendige Diskussionen und zwar in der SPD.“
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Zur Person
Karl Nolle wurde 1945 bei Hannover geboren. Nach der mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung als Elektromechaniker. Im zweiten Bildungsweg legte er das Abitur ab und studierte dann Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Er ist verheiratet, hat eine Tochter.