Karl Nolle, MdL
Pressemitteilung, 22.11.2002
Ohrfeige für sächsische Justiz - Naziparole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist doch strafbar
Sie sei der Parole "Blut und Ehre" der Hitlerjugend zum Verwechseln ähnlich.
1) OLG Karlsruhe hält die Naziparole für strafbar, die Sächsischer Generalstaatsanwalt nicht verfolgen wollte. (siehe Dok. OLG Karlsruhe im Anhang)
2) Nolles Dienstaufsichtsbeschwerde vom 7. 11. 2001 gegen Generalstaatsanwalt Schwalm nach einem Jahr noch immer unbeantwortet ! (siehe Dok. der Dienstaufsichtbeschwerde im Anhang)
3) Erneute kleine parlamentarische Anfrage von Nolle zur nun festgestellten Strafbarkeit der Naziparole. (Kleine Anfrage im Anhang)
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hält die Verwendung der Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ für strafbar. Sie sei der Parole „Blut und Ehre“ der Hitlerjugend zum Verwechseln ähnlich. Dies geht aus einer Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16.11.2002 (S. 4) hervor.
Peinlich für die Strafverfolger in Sachsen: Noch im Herbst vergangenen Jahres hatte Generalstaatsanwalt Schwalm die Strafbarkeit der Parole verneint. Das erregte Aufsehen, weil die Leipziger Polizei hilflos Nazi-Demonstranten zusehen und zuhören musste, die die Parole grölten.
SPD-MdL Karl Nolle, der am 7.11.01 eine bis heute unbeantwortete Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Schwalm erstattet hatte, erklärte dazu:
NOLLE: „Nach der Karlsruher Entscheidung müssen sich die Sächsischen Strafverfolger um so intensiver fragen lassen, warum sie auf dem rechten Auge so unscharf gesehen haben. So stelle ich mir keinen guten Staatsanwalt vor, dass er nicht anklagt, wo doch gute Gründe für ein strafbares Verhalten sprechen.“
Als verantwortlich für die damalige Meinungsbildung war von Ex-Justizminister Kolbe der Generalstaatsanwalt selbst genannt worden: Nolle hatte aber nach den Informationen gefragt, die dem Ministerium schon vorher vorlagen.
NOLLE: „Dass ich bis heute auf meine, vor einem Jahr gestellte, Dienstaufsichtsbeschwerde keine Antwort erhalten habe, gehört in Sachsen zum ganz normalen Wahnsinn. Am allerpeinlichsten für die Sächsische Staatsanwaltschaft ist aber, dass offenbar die Badischen Staatsanwälte fleißig gegraben haben, wo die Sächsischen Kollegen an der Oberfläche bleiben mussten: Wie sonst ist es zu erklären, dass sich das OLG Karlsruhe auf eine Hitlerjugend-Parole stützen kann, der die neue Parole, wie es zur Strafbarkeit erforderlich ist, zum Verwechseln ähnlich ist? Hätten da nicht auch die Sachsen fündig werden können?
Nolles Forderung liegt auf der Hand:
NOLLE: „Es darf in diesen Fällen kein Freispruch aus Rechtsgründen hingenommen werden. Die Fälle müssen bis zum OLG Dresden verfolgt werden. Sollte dieses, was nach den Karlsruher Argumenten nicht anzunehmen ist, von einer Straflosigkeit ausgehen, so müsste der Bundesgerichtshof entscheiden. Nur eines darf es nie wieder geben: Vor rechtem Geschrei des Nazipacks den Kopf in den Sand stecken!“
Anlagen.:
PM um Urteil des OLG Karlsruhe, Kleine Anfrage, Dienstaufsichtsbeschwerde, § 86 a StGB
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Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2002 - 1 Ws 179/02 -
Verwendung der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" strafbar-
Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erfolgreich
Dies hat heute der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden und damit eine anderslautende Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe vom 8.5.2002 aufgehoben.
Dieses hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen 25jährigen Studenten und einen 26jährigen Handwerker abgelehnt und damit eine Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 8.2.2002 zurückgewiesen. Beiden wird hierin vorgeworfen, auf ein von ihnen in Karlsruhe betriebenes sog. "nationales Infotelefon" als Bandansage im Anschluss an verschiedene Veranstaltungshinweise der rechten Szene die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" aufgesprochen und hierdurch Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nach § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB verwendet zu haben. Eine Strafbarkeit dieses Verhaltens hat die Strafkammer aus Rechtsgründen verneint, weil die benutzte Parole keinem tatsächlich gebrauchten Kennzeichen der Waffen-SS oder einer sonstigen ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zum Verwechseln ähnlich sei.
Anders nun der 1. Strafsenat:
Die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" sei nämlich nach der konkreten Art ihrer Benutzung der Parole "Blut und Ehre" der Hitlerjugend zum Verwechseln ähnlich i.S.v. § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB. So seien die Begriffspaare "Ruhm und Ehre" und "Blut und Ehre" in sprachlicher Hinsicht nahezu identisch. Auch inhaltlich verkörperten beide glorifizierende Werte und vermittelten damit Symbolgehalte, denen in der Propaganda der NS-Zeit erhebliche Bedeutung zuge-kommen sei. Diese Ähnlichkeit werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass dem Begriff "Ruhm und Ehre" die Ergänzung "...der Waffen-SS" angefügt worden sei. Dies führe nämlich nicht dazu, dass die Parole ihre Nähe zu jener der Hitlerjugend verlöre. Denn die Verwechslungs-gefahr entfalle nicht dadurch, dass in der Parole in Abweichung zur Originallosung ein Bezug zu einer anderen, in gleicher Weise verfassungswidrigen Organisation hergestellt werde.
Auch die konkrete Art der Benutzung in Form einer Losung spreche für eine Strafbarkeit. Die Bandansage habe nämlich ansonsten nur Veranstaltungshinweise enthalten und habe sich nicht etwa mit der Geschichte der Waffen-SS auseinandersetzen wollen. Werde die Parole aber - wie in den letzten Jahren vermehrt geschehen - in erster Linie als ein die gemeinsame Gesinnung repräsentierendes Erkennungssymbol der rechten Szene verwendet, so könnten sich die Verwender insoweit nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen.
Das Landgericht Karlsruhe muss nunmehr eine Hauptverhandlung in dieser Sache anberaumen. Ein Termin hierfür steht noch nicht fest.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2002 - 1 Ws 179/02 -
Auszüge aus dem Gesetzestext:
§ 86 a StGB Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
Abs. 1
(1) im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften verwendet oder
(2) Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
Abs. 2
Kennzeichen i.S.d. Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
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Sächsischer Landtag
Drucksache 3/___________
3. Wahlperiode
Kleine Anfrage
des Abgeordneten Karl Nolle
SPD-Fraktion
Thema: Strafbarkeit der Nazi-Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ und ihre Behandlung durch Sächsische Gerichte und Staatsanwaltschaften
Sachverhalt: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hält die Verwendung der Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ für strafbar. Sie sei der Parole „Blut und Ehre“ der Hitlerjugend zum Verwechseln ähnlich (FAZ, 16.11.2002, S. 4).
1. Wie viele Verurteilungen und Freisprüche hat es im Freistaat Sachsen wegen des Vorwurfs der Verwendung der Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ gegeben?
2. Ist im Falle freisprechender Entscheidungen stets Rechtsmittel eingelegt worden, wenn nein, warum nicht?
3. Gibt es eine Entscheidung des Sächsischen Oberlandesgerichts zu dieser Frage?
4. Was haben die Sächsischen Staatsanwaltschaften unternommen, um eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen?
5. Ist in jeder der Anklagen der Sächsischen Staatsanwaltschaften unmissverständlich auf die nunmehr vom Oberlandesgericht Karlsruhe herangezogene, zum Verwechseln ähnliche Parole der Hitlerjugend („Blut und Ehre“) hingewiesen worden, wenn nein, warum nicht?
Karl Nolle MdL
Dresden, 21. November 2002
Eingegangen am: Ausgegeben am:
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Karl Nolle
Mitglied des Sächsischen Landtages
Bernhard von Lindenau Platz 1
01067 Dresden
Herrn Staatsminister
Manfred Kolbe
Sächsisches Staatsministerium
der Justiz
Hospitalstraße 7
01067 Dresden
Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde
“Ruhm und Ehre der Waffen-SS”
Dresden, den 7.11.2001
Sehr geehrter Herr Staatsminister Kolbe,
gegen Herrn Generalstaatsanwalt Dr. Schwalm erhebe ich Dienstaufsichtsbeschwerde.
Presseberichten habe ich entnommen, dass von den zuständigen Polizeibehörden die NPD-Demonstration in Leipzig am vergangenen Wochenende nicht aufgelöst wurde, weil die Parole der Demonstrationsteilnehmer “Ruhm und Ehre der Waffen-SS” in einer Vielzahl vorheriger Ermittlungsverfahren aufgrund einer Entscheidung des Generalstaatsanwalts nicht als strafbare Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB angesehen wurde. Wenn die Aufsicht des Staatsministeriums der Justiz über die Staatsanwaltschaften und den Generalstaatsanwalt zu mehr dienen soll als zur Information der Regierung (so habe ich Ihren Vorgänger Steffen Heitmann in seiner Aussage vor dem Landgericht Dresden am 1. November verstanden), dann sind hier Maßnahmen der Fachaufsicht, aber auch der Dienstaufsicht, ernsthaft zu prüfen.
Dabei bitte ich Sie um Beachtung folgender Fragen:
1. Hat sich der Generalstaatsanwalt in seiner Entscheidung auf wissenschaftliche Veröffentlichungen oder Rechtsprechung unabhängiger Gerichte stützen können, die genau diese Parole als nicht strafbar angesehen haben?
2. Hat sich der Generalstaatsanwalt vor seiner Entscheidung über die Rechtsauffassungen der Generalstaatsanwälte sämtlicher anderer Bundesländer informiert?
3. Haben die Generalstaatsanwälte der anderen Länder die Rechtsauffassung des Herrn Dr. Schwalm geteilt?
4. Hat der Generalstaatsanwalt vor oder nach seiner Entscheidung an das Staatsministerium der Justiz berichtet? Wenn nein, hätte ein Bericht erfolgen müssen?
5. Hat das Staatsministerium der Justiz der seinerzeitigen Entscheidung des Generalstaatsanwalts widersprochen, wenn ja, wann?
6. Hat das Staatsministerium der Justiz der seinerzeitigen Entscheidung zugestimmt?
7. Hat sich der Generalstaatsanwalt bei seiner Entscheidung, die Parole “Ruhm und Ehre der Waffen-SS” sei nicht strafbar, damit auseinandergesetzt, dass jedenfalls seit 1998 (Stand der im Internet abrufbaren Fassung) gemäß § 86a Abs. 2 S. 2 StGB auch die Verwendung solcher Parolen strafbar ist, die den Parolen verfassungswidriger Organisationen zum Verwechseln ähnlich sind?
8. Haben die zuständige Staatsanwälte der ermittelnden Staatsanwaltschaften vor der Entscheidung des Generalstaatsanwalts die Auffassung vertreten, die Verwendung der Parole sei strafbar?
9. Wurden die Akten über die Ermittlungsverfahren in Bezug auf die genannte Parole dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden zur Auswertung zur Verfügung gestellt?
10. Hat das Bundeskriminalamt dem Generalstaatsanwalt daraufhin Ergebnisse seiner Auswertung übersandt?
Mir sind noch Pressemeldungen in Erinnerung, nach welchen eine Staatsanwältin, die für die (richterlich gebilligte) Durchsuchung der Bild-Redaktion Dresden verantwortlich war, disziplinarrechtlich verfolgt wird. Die Berechtigung dieser Maßnahme will ich gar nicht in Zweifel ziehen; ich gehe davon aus, dass diese Angelegenheit zügig und korrekt behandelt werden wird. Es scheint mir aber unverzichtbar zu sein, dass Fehlleistungen des höchsten Beamten der Sächsischen Staatsanwaltschaften nach den selben Maßstäben beurteilt werden.
Ich bitte um Bescheidung dieser Beschwerde, wobei ich auf mein Auskunftsrecht gemäß
Art. 51 SächsVerf hinweise. Dieses dürfte zwar nicht unmittelbar eingreifen, doch nehme ich an, dass die Bescheidung meiner Beschwerde im Lichte dieser Vorschrift zu erfolgen hat.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Karl Nolle, MdL
Anhang
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StGB § 86a
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten
Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder
2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausfuhrt.
(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum verwechseln ähnlich sind.
(3) § 86 Abs, 3 und 4 gilt entsprechend.