Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 29.11.2002

Der Ankläger weckt seine Gegner

Sachsenring-Chef Rittinghaus und die Jagdfreunde in Parchim - Zweifel an Erklärungen und am Vier-Millionen-Deal
 
Dresden. Was sind die eidesstattlichen Versicherungen wert, mit denen die ehemaligen Sachsenring-Eigner Ulf und Ernst-Wilhelm Rittinghaus die sächsische CDU-Regierung ins Schleudern und sich selbst zu Millionen-Entschädigungen verhelfen wollen? - „Nichts“, behauptet Guido Schwelm. „Mit der Strafbarkeit einer falschen Versicherung hatten diese Herren bisher kein Problem“, sagt der Kaufmann aus Essen.
Er ist nicht der einzige, der an der Glaubwürdigkeit der im „Stern“ erhobenen Behauptungen über die Verquickung einer Vier-Millionen-Behilfe beim Ankauf der Chipfabrik ZMD mit einer CDU-nahen Werbekampagne für Sachsen Zweifel äußert.

Ex-Geschäftspartner: „Alles erstunken und erlogen“

„Das ist alles erstunken und erlogen“, war die erste Reaktion, als Guido Schwelm im MDR erlebte, wie sich Ulf Rittinghaus als das Opfer einer unheiligen Allianz aus Sachsen-Regierung und Banken outete. Wie ernst das Rittinghaus-Duo Unterschriften nimmt, will Schwelm beim Streit um ein stattliches Gutshaus und ein angrenzendes Grundstück in Mecklenburg erlebt haben. Die Hobby-Jäger Rittinghaus waren bereit, 376.000 Euro für einen 270 Hektar großen Wald zu bezahlen, der an das Gutshaus grenzt. Das gehörte bis 1945 dem Großvater von Schwelm und wurde 1999 vom Landkreis Parchim an die Bilges, Rittinghaus, Rabe GbR verkauft.

Den Deal brachte Schwelm mit einer Eingabe beim Petitionsausschuss des Bundestages zum Scheitern. Wegen Subventionsbetrug hatte er die Rittinghaus-Brüder bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anzeigt, weil sie eine Erklärung unterzeichnet hatten, ihren Wohnsitz in die Nähe des Forsthauses im Prominentenjagdrevier Nossentiner Heide zu verlegen. Das beabsichtigten sie selbstverständlich nicht. Zudem ging an jenem Tag, an dem sie den Kaufvertrag unterzeichnen wollten, Sachsenring in Insolvenz.

„Erstaunlich ist auch, dass ein SPD-geführter Landkreis Parchim zugunsten der Brüder Rittinghaus auf 1,6 Millionen Mark aus einem Immobiliengeschäft verzichten will“, meint Schwelm. Nach dem gewinnträchtigen Verkauf des Gutshauses an einen Bad Schwartauer Unternehmer stellte er fest, dass laut Kaufvertrag zwischen Landkreis und GbR der Mehrerlös dem Kreis zufallen solle.

Mit genau zwei Millionen Mark war das Grundstück belastet. Zugunsten von Sachsenring oder dem Besitzer-Trio?

Schommer wittert Subventionsbetrug

Zweifel an der Rittinghaus-Version, von einer mächtigen Allianz aus dem Sachsenring-Vorstand gekegelt worden zu sein, äußert auch ein Bankvorstand.

Über Jahre habe man versucht, die Pleite zu verhindern. „Wir waren entsetzt über die Zukäufe, die teilweise am Aufsichtsrat vorbei getätigt wurden.“ Unter der Rittinghaus-Regie habe man für Sachsenring keine Perspektive gesehen. Nun hält sich die Bank auch an dem Privatvermögen schadlos, den Ex-Sanierern droht der Verlust der Geschäftigkeit.

Unklar bleibt weiter, mit welchem Geld die Kampagne „Sachsen für Sachsen“ finanziert worden ist. Rittinghaus behauptet, er habe vier Millionen Mark am 9. Oktober 1998 als Gegenleistung für das SAG-Engagement erhalten. Dagegen besteht die Staatsregierung auf ihrer Version, es habe sich um ein bereits 1996 gewährtes Darlehen an ZMD gehandelt, das später auch von Sachsenring zurückgezahlt worden sei.

Während die Regierung in Wartestellung bleibt, kündigt Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) rechtliche Schritte an. „Wenn die Sache wirklich so abgelaufen wäre, wie Rittinghaus behauptet, was hat er denn mit dem Rest des Geldes gemacht?“ fragt Schommer. Die Aktion habe angeblich nur 3 Millionen Mark gekostet. „Das Ganze wäre Subventionsbetrug.“

Weniger transparent als von Ulf Rittinghaus dargestellt war offenbar die Informationspolitik im Hause Sachsenring. Inzwischen stellte sich heraus, dass der damalige Aufsichtsratschef Helmut Kraus nichts von der angeblichen Verknüpfung der Fördermittel mit der Sachsen-Werbung wusste. Das Kontrollgremium hatte der umtriebige Boss angeblich in das obskure Geschäft einbezogen.
Von Hubert Kemper