Karl Nolle, MdL

Sächsiche Zeitung, 29.11.2002

Vier Millionen Mark und vier Millionen Fragen

Neue Dokumente stürzen Regierung in Erklärungsnot: Betrug oder nicht Betrug?
 
Die Frage, ob der Freistaat Sachsen 1999 bei der Privatisierung der Chipfabrik „Zentrum Mikroelektronik Dresden“ (ZMD) zu Unrecht vier Millionen Mark an den Investor Ulf Rittinghaus gezahlt hat, sorgte gestern für Hektik im Regierungsviertel. Am Morgen wurden Dokumente, die diesen Vorwurf stützen, von der Staatskanzlei noch mit dem Hinweis abgetan, „solche Papiere liegen uns nicht vor, wir können also auch nichts sagen“. Am Abend gab es plötzlich ein kurzfristig anberaumtes Pressegespräch. Tenor: An der Sache sei nichts dran. Unterlagen, die dies belegen, kündigte Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer (CDU) zwar an, vertröstete die Medien dann doch auf heute. Man müsse das Material aus Datenschutzgründen erst überprüfen.

Somit hat der von vielen als umtriebig empfundene Unternehmer Ulf Rittinghaus weiter freie Bahn für seine ungeheuerlich klingende Geschichte: Danach hat die Staatsregierung der Rittinghaus-Firma Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) einst 29 Millionen Mark statt der zuvor ausgehandelten 25 Millionen Mark an Zuwendungen für den Kauf der Chipfabrik gezahlt. Im Gegenzug musste das Unternehmen kurz vor der Landtagswahl 1999 mit drei Millionen Mark eine CDU-nahe Imagekampagne finanzieren. Beide Einzelvorgänge haben tatsächlich so stattgefunden. Allein die Staatsregierung und Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU), der von Rittinghaus als Einfädler des illegalen Tauschgeschäfts genannt wird, bestreiten vehement einen Zusammenhang. Die Zuwendungen seien lediglich um vier Millionen Mark erhöht worden, damit die SAG einen Altkredit der Chipfabrik auslösen konnte, heißt es. Rittinghaus kontert: Stimmt nicht, das zusätzliche Geld floss aus Ausgleich für die Imagekampagne.

Eine pikante Note bekommt der Streit zudem, weil auch Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) einst als Finanzminister an den Vorgängen beteiligt war. Die Opposition wittert bereits Morgenluft. Sie will prüfen lassen, ob der Freistaat den 29 Millionen-Zuschuss möglicherweise bei der EU falsch deklariert hat, um sich die dafür nötige Genehmigung aus Brüssel zu sichern. „Das ist zwecklos, alles verlief korrekt“, wehrt Milbradts Umfeld ab. Auf eine Verleumdungsklage gegen Rittinghaus will man dennoch weiter verzichten: Dessen Vorwürfe würden sich allein gegen Ex-Minister Schommer richten.

Und dem hatte die Rittinghaus-Firma übrigens schon 1997 ein besonderes Geschäft vorgeschlagen: Der CDU-Politiker sollte damals als Miterfinder eines Patentes benannt werden, das kurz vor der Serienreife stand. Schommer will das lukrative Angebot ausgeschlagen haben.
(Von Gunnar Saft)