Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 29.11.2002
Woher kamen dann die umstrittenen Millionen?
Staatsregierung sagt: Keine Fördermittel zu viel bezahlt
DRESDEN. Weiter Riesenwirbel um die angebliche Millionen-Spende für die CDU-nahe Kampagne „Sachsen für Sachsen". Nach neuen Vorwürfen der Brüder Rittinghaus (Ex-Sachsenring-Bosse) erklärte die Staatsregierung gestern ihre Version. Danach sind keine Fördermittel zu viel gezahlt worden. Dennoch bleiben viele Fragen offen.
Seit mehr als einer Woche schwelte der Vorwurf: Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) soll der Sachsenring AG (SAG) vier Millionen Mark mehr für den Kauf des Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) genehmigt haben. Als Gegenleistung sollte die SAG eine CDU-nahe Werbekampagne vor der Landtagswahl 1999 finanzieren.
Fakt ist: Die Kampagne kostete drei Millionen Mark und wurde fast vollständig von der SAG bezahlt. Der angebliche Trick laut Rittinghaus: 25 Millionen Mark Zuschuss für den Erwerb von ZMD wurden um vier Millionen Mark aufgestockt - das Geld für die Kampagne. Die Regierung begründet die Aufstockung anders: Zum Zeitpunkt der Übernahme stand ZMD beim Freistaat mit vier Millionen in der Kreide. Diese Schulden wollte Rittinghaus nicht übernehmen.
Was weiß Ministerpräsident Milbradt? Er genehmigte 1999 die Zahlung von 29 Mio. Mark an die SAG. Der Freistaat durfte aus rechtlichen Gründen aber nicht darauf verzichten. Also bekam die SAG 29 Millionen Mark Zuschuss. Später zahlte sie vier Millionen zur Tilgung des Kredits an den Freistaat zurück. Unklar aber ist, aus welchem Topf die Rückzahlung kam. Laut Kaufvertrag wollte der Freistaat zur Tilgung des Kredites ZMD-Fördermittel um vier Millionen Mark kürzen. Die 25 Millionen hätten also nicht aufgestockt werden müssen. „Dass dennoch 29 Millionen gezahlt wurden, beweist den Spendenvorwurf", so Rittinghaus-Anwalt Reiner Füllmich.
Quatsch, sagt die Regierung. 29 Millionen wurden gezahlt, damit die SAG den Kredit tilgen konnte. Die Kürzung der ZMD-Fördermittel sei nur als Sicherheit gedacht gewesen. Zahle die SAG den Kredit nicht zurück, sollten die Fördermittel gekappt werden. Da die SAG aber zahlte, blieben die Fördermittel eben ungekürzt. Netto heißt das 25 Millionen Mark Zuschuss für Sachsenring. Die Regierung wäre damit fein raus. Unklar bleibt bei dieser Version, aus welchem Topf die Brüder Rittinghaus denn nun wirklich die Kampagne finanziert haben sollen. Und noch zwei Dinge sind merkwürdig. Erstens: Die Europäisch Union musste die 29 Millionen Mark Zuschuss genehmigen Verwendungszweck laut Bescheid: für Investitionen und Verlustausgleich bei ZMD. Von einer Kreditrückzahlung ist darin nicht die Rede. Zweitens: Laut Verhandlungs-Protokoll über den Kaufvertrag wollte der Freistaat keinesfalls auf die Rückzahlung des Darlehens verzichten. Doch die Bezahlung des Kredits mit eigenem Geld kommt einem Quasi-Verzicht gleich.
Mit der ersten Unklarheit wird sich jetzt die EU beschäftigen müssen. Die SPD-Fraktion beantragte gestern in Brüssel, die gesamten Zahlungen an ZMD (rund 350 Millionen Mark) zu überprüfen. SPD-Wirtschafts-Experte Karl Nolle: „Die 29 Millionen hätten laut EU-Recht niemals für die Rückzahlung des Kredits genutzt werden dürfen."
Merkwürdig auch, dass Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) bisher zu den Vorwürfen schweigt. Als Finanzminister hatte er im Januar 1999 die Zuschüsse genehmigt. „Milbradt war nie direkt an den Verhandlungen über die Erhöhung auf 29 Millionen beteiligt", erklärte zwar Regierungssprecher Christian Striefler. Aber: Die Vorwürfe belasten auch den Freistaat? Und da könnte der Chef ja mal ein klares Wort sprechen.
(Stefan Locke)