Karl Nolle, MdL

DNN, 27.11.2002

SAG-Affäre: Der Ankläger kommt in Erklärungsnot

Ex-Aufsichtsräte dementieren Spendendeal
 
DRESDEN. Die Debatte um die vermeintliche CDU-Spendenaffäre in Sachsen nimmt eine obskure Wende. Galt es bisher als ausgemacht, dass der ehemalige Sachsenring-Chef Ulf Rittinghaus den eigenen Aufsichtsrat über den Drei-Millionen-Deal bereits Ende 1998 informiert hat, so gab es gestern von der früheren Aufsichtsratsspitze klare Dementis. „Ich kann das so nicht bestätigen", sagte der ehemalige stellvertretende Vorsitzende Werner Kathemann, „diese Version kenne ich nicht". Zwar sei im Kontrollgremium auch über die Kampagne gesprochen worden - „aber stets unabhängig von Fördermitteln".

Genau das ist der Vorwurf von Rittinghaus. Kein Geringerer als Sachsens Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) habe ihm am 9. Oktober 1998 eine Aufstockung von Landesbeihilfen um vier Millionen Mark versprochen, wenn SAG-Sachsenring dafür drei Millionen für die CDU-nahe Imagekampagne „Sachsen für Sachsen" zurück überweist - ein klarer Fall von Veruntreuung, für die EU in Brüssel und den Staatsanwalt. Wenn es denn stimmt.

Neue Widersprüche

Die Aktenlage zum Deal aber ist mager. Im Kern gibt es nur die eidesstattliche Erklärung von Rittinghaus selbst, die seines Fahrers sowie die Version vom informierten Aufsichtsrat. Diese hatte bisher der Zwickauer Arbeitnehmervertreter Manfred Schürer vertreten - eine Variante, die nun erheblich bröckelt.

Hinzu kommen neue Widersprüche. Im Zentrum steht eine Aktennotiz von einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung in Leipzig. Tenor des internen Papiers: Die Fördermittel von Landesseite würden aufgestockt, „gleichzeitig wird Sachsenring eine Kampagne von maximal DM 3,0 Mio. finanzieren".

Der Vermerk vom 12. November 1998 trägt die Unterschriften von Rittinghaus sowie Aufsichtsratschef Helmut Kraus. Kleiner Nachteil: Kraus kann gar nicht unterschrieben haben, weil er nach eigener Aussage zu diesem Zeitpunkt in den USA war -„bis Ende November".

Nebulöse Protokollnotizen

Rittinghaus-Anwalt Reiner Füllmich schiebt den Widerspruch auf einen Irrtum beim Tippen des Manuskripts, Zweifel gibt es dennoch. Die Notiz „ist mir unbekannt", sagte Aufsichtsratschef Kraus gestern. Wie seine Unterschrift unter das Dokument kommt?

„Kann ich mir nicht erklären". Auch bei der folgenden regulären Sitzung des Gremiums am 14. Dezember '98 habe der vermeintliche Fördermittel-Deal keine Rolle gespielt. „Herr Rittinghaus hat im Aufsichtsrat nie etwas dazu referiert."

Damit wird die Argumentationslage des Ex-Sachsenring-Bosses prekär, der Ankläger kommt in Erklärungsnot. Denn auch das interne Protokoll der Sitzung gibt kaum Aufschluss; überall steht Allgemeines, lediglich ein Halbsatz deutet hin auf den möglichen Deal. Sachsenring befinde sich in einer „politischen Zwangssituation", heißt es nebulös auf Seite 6 - mehr nicht.

Das sorgt jetzt für ein juristisches Nachspiel. So hat Schommer gestern rechtliche Schritte gegen Rittinghaus angekündigt. Die Vorwürfe seien unhaltbar, sagte der Ex-Minister einem Radiosender, es handle sich um „ehrabschneidende Behauptungen". Im Gegenzug greifen PDS- und SPD-Opposition zum härtesten aller parlamentarischen Mittel, dem Untersuchungsausschuss. Laut PDS-Fraktionschef Peter Porsch geht es dabei nicht nur um den möglichen Handel an sich, sondern um den Umgang mit Fördermitteln generell.

Die Hoffnung dabei ist einfach: Schon im Fall Biedenkopf - Stichwort Behördenzentrum Leipzig-Paunsdorf hat das Instrument ganz gut funktioniert...
(Jürgen Kochinke)