Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 30.11.2002

Minister Gillo: "Aufforderung an den Staatsanwalt"

Landesregierung geht gegen Rittinghaus-Vorwürfe in die Offensive - Sitzungsprotokoll im Internet
 
DRESDEN. Bisher hat er sich bedeckt gehalten und jeden Kontakt zu seinem Vorgänger Kajo Schommer vermieden. Am Freitag äußerte sich Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo erstmals öffentlich zu einem Vorgang, den „Stern“ und die ehemaligen Sachsenring-Manager Rittinghaus zu einem Politik-Krimi hochkochen möchten. Als „Aufforderung für den Staatsanwalt, gegen Ulf Rittinghaus zu ermitteln“, bezeichnete Gillo die Behauptung des Ex-Unternehmers, das 4-Millionen-Darlehen sei aus Mitteln der Forschungs-und Entwicklungsförderung getilgt werden.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft ermittelt längst - auch gegen Rittinghaus. Sollte sich herausstellen, dass Steuermittel zur Finanzierung einer Werbekampagne für Sachsen gezahlt worden sind, wird für Rittinghaus die Attacke zum Bumerang. Veruntreuung hieße der strafrechtliche Vorwurf. Gegen den Verdacht, belastende Unterlagen unter Verschluss zu halten, ging das Wirtschaftsministerium am Freitag offensiv vor. Sie stellte das Sitzungsprotokoll eines Gesprächs vom 7.10.98 ins Internet. „Die 29 Millionen, die wir Sachsenring für den Kauf der Chipfabrik ZMD gaben, waren ein negativer Kaufpreis“, heißt es aus dem Gillo-Ministerium. Die drohende Pleite von ZMD hätte 60 Millionen Mark gekostet. Es habe sich nicht um eine Subvention gehandelt, EU-Regressforderungen erwarte man nicht.

Angst geht jedoch bei den 400 Mitarbeitern der aufblühenden Elektronikfirma um. Ernst-Wilhelm Rittinghaus stößt weiter Drohungen gegen die Staatsregierung aus. „Wir haben noch etwas zu bieten“, kämpft er gegen ein negatives Image, das offenbar in Zwickau gegen die Altbesitzer herrscht. Auch Sachsenring-Aktionäre sind inzwischen hellhörig geworden. 200.000 Franken hat der Schweizer Unternehmer Pietro Caviglia verloren. „Ich habe den falschen Versprechungen geglaubt“, will er rechtlich gegen Rittinghaus vorgehen. Unterstützung verspricht er sich bei dem Essener Kaufmann Guido Schwelm, einem Rittinghaus-Kontrahenten (und nicht „Ex-Geschäftspartner“) im Streit um eine Grundstücksaffaire in Mecklenburg.
(Von Hubert Kemper)