Karl Nolle, MdL

Der SPIEGEL, Nr. 49/2002, Seite 48, 02.12.2002

Politische Zwangssituation

Ein Wirtschaftskrimi um Wahlkampfhilfe und Förder-Millionen bringt Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in die Bredouille.
 
Es sollte ein ganz großes Ding werden. In der stilvollen Niederlassung der Dresdner Bank in der sächsischen Landeshauptstadt schwärmte Ulf Rittinghaus, Chef des Automobil-Zulieferers Sachsenring, von einer Imagekampagne für Sachsen, deren Sponsor er war „An jedem amerikanischen Flughafen müssen potenzielle Investoren lesen können, wie toll Sachsen ist."

Die Plakataktion, so erklärte der Konzernlenker aus Zwickau am 7. Juli 1999 den anwesenden Journalisten, sei ganz uneigennützig und habe auch mit dem beginnenden Landtagswahlkampf „rein gar nichts zu tun".

Von wegen. Die Kampagne „Sachsen für Sachsen", erklärt Rittinghaus heute, knapp dreieinhalb Jahre später, sei weder selbstlos noch unpolitisch gewesen. Sein Unternehmen habe mit knapp drei Millionen Mark die Imagekampagne, die in Wahrheit Stimmung für die regierende Union machen sollte, nur finanziert, um das Dresdner Chipwerk ZMD, das dem Land gehörte, günstig erwerben zu können - und dafür auch noch Förder-Millionen zu bekommen.

Zu der dafür geleisteten indirekten Wahlkampfhilfe für die CDU habe ihn der damalige Wirtschaftsminister Kajo Schommer animiert: „Ich fragte ihn, an welchen Betrag er denn denke. Dr. Schonammer erwiderte meine Frage direkt mit seiner Vorstellung von fünf Millionen Mark." An ein solches Gespräch kann sich auch Christdemokrat Schommer, inzwischen Unternehmensberater, erinnern. Allerdings seien die fünf Millionen ein „Scherz in weinseliger Stimmung“ gewesen. Einen Zusammenhang mit dem ZMD-Kauf weist der Ex-Minister entschieden zurück. Auch Schommers ehemaliges Ministerium dementierte heftig, nachdem der „Stern" die Erklärung des Sachsenring-Chefs veröffentlichte. Die sei nichts weiter als der „Rachefeldzug" eines gescheiterten Entrepreneurs. Die Sachsenring AG beantragte Ende Mai dieses Jahres die Insolvenz.

Doch bei der Erklärung, wie es vor 'knapp vier Jahren zum Kauf des landeseigener, Chipwerks durch den Automobilzulieferer Sachsenring gekommen ist, verstricken sich Dresdner Wirtschafts- und Finanzministeriale nun in immer neue Widersprüche. Und dabei gerät auch Ministerpräsident Georg Milbradt ins Zwielicht. Als damaliger Finanzminister hatte er am 12. November 1998 bei einem Arbeitsfrühstück im vornehmen Schlosshotel Eckberg Sachsenring-Chef Rittinghaus sein Okay zu staatlichen Beihilfen in Höhe von 29 Millionen Mark gegeben. Diese Summe findet sich denn auch im Kaufvertrag wieder.

Noch am 7. Oktober hatte das Wirtschaftsministerium den Kauf des maroden Chipwerks hingegen mit maximal 25 Millionen Mark vergolden wollen. Nun sollte es also plötzlich vier Millionen mehr für Rittinghaus geben. Für die Differenz tischt das Dresdner Ministerium eine eigenartige Erklärung auf. In die Beihilfen vor 29 Millionen Mark sei ein Altdarlehen des Landes in Höhe von vier Millionen Mark mit eingerechnet. Doch eine ganze Reihe neuer Indizien und Dokumente weckt Zweifel an dieser Version und nährt den Verdacht, dass damit nur die kaschierte und staatlich subventionierte Wahlkampfhilfe verschleiert werden soll.

Mit den 29 Millionen Mark sollten, so steht es im Kaufvertrag, der Jahresfehlbetrag 1998 und „unterlassene Investitionen" ausgeglichen werden. Nicht ohne Grund: Intern hatte das Wirtschaftsministerium bereits einen Bedarf in dieser Höhe errechnet. Auch in dem Bescheid der Europäischen Kommission, die am 18. Juli 2001 die Beihilfe genehmigte, finden sich exakt die 29 Millionen Mark. Von einer Verrechnung mit dem Altdarlehen ist dagegen überhaupt nicht die Rede.

Wenige Monate nach Erhalt der Subventionen bezahlte Sachsenring die Rechnungen für die PR-Anzeigen und die eingeschaltete Agentur. Rund 2,5 Millionen Mark flossen auf das Konto der Berliner Werbeagentur Scholz & Friends. Weitere 300.000 Mark gingen an einen Berliner Lobbyisten, der bei der Kampagne Mittler zwischen Sachsenring und CDU-Landesregierung war.

Auf Überweisungen im Zusammenhang mit der „Sachsen für Sachsen" - Kampagne stieß bereits vor Monaten der Sachsenring Insolvenzverwalter Christoph Junker. Sinn und Zweck der Millionen-Zahlung konnte er sich nicht recht erklären. Auch eine Formulierung in dem Protokoll der Sachsenring-Aufsichtsratssitzung vom 14. Dezember 1998 ließ den Juristen ratlos zurück: Es ging um den Kauf des Chipwerks, und da ist in den Papieren auf einmal von einer „politischen Zwangssituation" die Rede. Nähere Ausführungen dazu finden sich in der Niederschrift freilich nicht.

Waren damit die Gelder für die indirekte Wahlkampfhilfe gemeint ? Für Viola Winkler, CDU-Wirtschaftsratsfrau und Organisatorin von „Sachsen für Sachsen“ wäre selbst ein solcher Deal nicht weiter schlimm. Sie glaubt, „dass ein Unternehmer wie Rittinghaus, der so viel Unterstützung vom Land erhielt, sich auch schon mal erkenntlich zeigen kann".
(von Andreas Wassermann, Steffen Winter)