Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, dpa, 10.12.2002
Spendenaffäre: Gillo stellt Strafanzeige
Jetzt soll der Staatsanwalt "Licht ins Dunkel" bringen
Die juristische Auseinandersetzung um die angebliche CDU-Spendenaffäre in Sachsen geht weiter. Am Montag erstattete Wirtschaftsminister Martin Gillo (parteilos) Strafanzeige gegen die "Verantwortlichen rund um die Unternehmensgruppe" Sachsenring Automobiltechnik (SAG) und Zentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD). Die Vorgänge um die Privatisierung des Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) an die Sachsenring Automobiltechnik AG im Jahr 1998 und folgende seien Anlass, Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm zu bitten, Licht in das Dunkel zu bringen, teilte das Wirtschaftsministerium mit.
In der vergangenen Woche hatte bereits Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) gegen die beiden früheren SAG-Vorstände Ulf und Ernst- Wilhelm Rittinghaus Strafanzeige gestellt. Nach Schommers Auffassung haben sie falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Schommer wurde vorgeworfen, im Zuge der ZMD-Privatisierung für eine Erhöhung der staatlichen Beihilfen um 4 Millionen auf 29 Millionen Mark gesorgt zu haben, damit die SAG im Gegenzug die Imagekampage "Sachsen für Sachsen" vor der Landtagswahl 1999 zu Gunsten der CDU mitfinanziere. Schommer bestritt das wiederholt.
Gillo sieht die vormaligen SAG-Chefs nun im Verdacht, sein Ministerium "möglicherweise arglistig getäuscht" zu haben. Im Kern geht es dabei um das SAG-Produkt "Mobile Emissionsmessanlage" (MEM). Nach Darstellung des Ministeriums hatte SAG das MEM-System am 17. September 1998 an ZMD verkauft. Zu diesem Zeitpunkt verhandelte SAG mit dem Wirtschaftsministerium bereits über den Kauf von ZMD. "Noch im 7. Kaufvertragsentwurf vom 2. Oktober 1998 sollten sich ZMD und der Freistaat verpflichten, MEM für 25 Millionen Euro zu erwerben", teilte das Ministerium mit. Ein Gutachter habe damals den Wert des Systems angezweifelt, weshalb Verhandlungen darüber fallen gelassen wurden.
Auch die ZMD-Geschäftsführung gerät nach Meinung des Wirtschaftsministeriums nun in Verdacht. Sie sei verpflichtet gewesen, den Aufsichtsrat bei Geschäften ab eine Million Mark zu informieren. Nach mündlicher Aussage eines Mitglieds des Aufsichtsrates sei dies aber nicht geschehen.
Das Land Sachsen hatte 1998 den Verkauf von ZMD mit 29 Millionen Mark gefördert. Da dies von der EU noch zu genehmigen war, wurde das Geld im Januar 1999 nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zunächst in Form eines Darlehens an das konkursgefährdete ZMD überwiesen. Das Geld sollte Ausgleich für unterlassene Investitionen und für Verluste bei ZMD sein. Es sei aber davon auszugehen, dass es in die Kassen der SAG weiterfloss, da eine Zahlungsverpflichtung in gleicher Höhe für den Verkauf des MEM-Systems bestand.
Als Konsequenz aus den Strafanzeigen bekräftige die PDS am Montag ihre Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die "zunehmend hektischer werdenden Reaktionen der Staatsregierung" würden dessen Notwendigkeit belegen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion im Landtag, André Hahn.