Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 04.01.2003

Winterloch

Sächsisch betrachtet, Kommentar von Andreas Novak
 
ALLE reden vom Sommerloch, keiner vom Winterloch. Dabei passiert selbst in der nachrichtenarmen Jahresmitte genügend Interessantes. Die wahre Saure-Gurken-Zeit ist der Jahreswechsel. Einen entprechenden Anblick bot der Landtag. Kennen Sie die Geisterstädte aus amerikanischen Western? So wirkte auch das Parlament. Abgesehen vom Großteil der Abgeordneten und Mitarbeiter wollte nicht einmal die Technik arbeiten. Die vielgerühmte Vereinzelungsanlage, die Unbefugten den Zutritt zum Landtag verwehren soll, ließ auch schon mal zwei Personen durch – dafür müssen nach wie vor regelmäßig Einzelpersonen vom Wachdienst aus der „Verzweiflungsanlage“ (Landtags-Spott) gerettet werden. Auch die bunt leuchtende Informationstafel im Foyer, sonst gelegentlich interessanter als mancher Abgeordnete, streikte: Sie zeigte nur farbiges Gewusel. „Da steht doch alles, was es zurzeit Neues gibt . . .“, unkte ein vorbeieilender Landtagsmitarbeiter.

ABER genau wie es im Sommerloch Experten gibt, die mit mehr oder minder originellen Vorschlägen vorpreschen, um schnell noch in die Medien zu kommen, gibt es auch Winterloch-Experten. An erster Stelle – Sie ahnen es, liebe Leser – SPD-Frontschnauze Karl Nolle. Damit seine Arbeit nicht völlig umsonst war, sei hier verraten, was der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion will: Die Staatsregierung solle doch bitteschön die Abwanderung stoppen. Das haben Sie schon einmal gehört? Mehrmals sogar? Und obendrein von verschiedenen Parteien? Wir auch. Da klang der Gesetzesvorschlag, den Nolle als Neujahrsgruß versandte, schon besser: „Zuwanderungsgesetz 2003 mit Begrüßungsgeld und Sofortzuschuss zum Kapitaltransport über die Grenze für Steuerflüchtlinge“.

SCHLIESSLICH versuchten noch zwei Minister, das Winterloch zu füllen. Vergleichsweise erfolgreich war dabei Justizminister Thomas de Maizière, der überflüssige Paragraphen abschaffen will. Nicht ganz so gut kam Sozialministerin Christine Weber (CDU) an: Mit unappetitlichen Themen wie Hepatitis und Magersucht versuchte sie, den Sachsen die gute Laune zwischen den Jahren zu verderben. Hat nicht geklappt. Aber bald geht der Politikbetrieb ja wieder richtig los . . .