Karl Nolle, MdL
Pressemitteilung, 21.01.2003
Die Christenunion und die 10 Gebote - oder, wie man mit falschen Zeugnissen in Sachsen Personalpolitik betreibt.
Die Sächsische Staatsregierung verlor zum wiederholten Male in einem Konkurrentenverfahren vor dem Verwaltungsgericht
DRESDEN. Wie der SPD-Landtagsabgeordneter KARL NOLLE heute informierte, hat der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht, Udo Hochschild, aus Dresden, zum Jahresende 2002 erfolgreich im Konkurrentenverfahren gegen die Sächsische Staatsregierung geklagt und Recht bekommen. Die Staatregierung habe nun zum wiederholten Male in einem Konkurrentenverfahren, indem es um rechtlich bedenkliche Personalbesetzungen im Öffentlichen Dienst geht, verloren.
NOLLE: „Der sächsische Justizminister Thomas de Maizière behauptet Entschlusskraft: Er will “den Richtern Beine machen” und sie zur Flexibilität zwingen: Beförderungen sollen davon abhängig gemacht werden, ob die Richter flexibel und bereit sind, andere Gerichte kennenzulernen und von Gericht zu Gericht zu wechseln, wie zu lesen war (Dresdner Morgenpost und Sächsische Zeitung vom 20.09.2002).“
NOLLE: „Allerdings hat Herr de Maizière mit der Wirklichkeit erhebliche Schwierigkeiten. Der von Kurt Biedenkopf Geförderte bleibt ganz auf der auf der autoritären Linie seines Meisters. Kritik ist Majestätsbeleidigung. Ihre Abstrafung ist dann doch wichtiger als die Bestenauslese. Und da nützt es dem Betroffenen auch nichts, Prozesse gegen die Landesregierung zu gewinnen. Das ist dieser Regierung wurscht.“
Nach NOLLE habe die Sächsische Staatsregierung wiedereinmal ein Konkurrentenverfahren verloren. Diesmal gegen einen Zeit seines Berufslebens engagierten, nicht unkritischen und möglicherweise gerade deshalb ungewollten Richter, Udo Hochschild, aus Dresden. (1991: neues Ehenamensrecht; heute im Internet: http://www.gewaltenteilung.de)
Aber, so NOLLE, statt Einsicht zu zeigen, verhalte sich die Staatsregierung trotzig wie im Falle des Sächsischen Datenschutzbeauftragten Giesen: Die Staatsregierung legte Rechtsmittel ein, informierte NOLLE. Aber im Falle Giesen habe sie auch mit Pauken und Trompeten verloren.
NOLLE: „Auf welchem unwürdigem Niveau die sächsische Staatsverwaltung Personalwirtschaft betreibt zeigt die beigefügte Tatsachenschilderung. Es sind Informationen
aus einem nach deutschem Recht ohne Öffentlichkeit geführten gerichtlichen Verfahren
NOLLE: „ Auch verfahrensrechtlich scheint die Justiz in Deutschland und hier in Sachsen noch nicht im europäischen Abendland angekommen zu sein“.
Karl Nolle MdL
0173-9219870
Anlage: Tatbestandsschilderung zur Rechercheunterstützung
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Anlage zur Pressemitteilung vom 21.01.2003
Fortgesetzte Untätigkeit und rechtwidriges, falsches Zeugnis
I. Der Tatbestand
Im Jahre 1998 bekommen erstmals alle sächsischen Richter eine – künftig alle vier Jahre wiederholte – Leistungsbeurteilung (=Stichtagsbeurteilung). Stichtag und Ende des ersten Beurteilungszeitraums ist der 31.12.1997. Der Präsident des Verwaltungsgerichts Dresden erteilt dem älteren Richter die höchste Note, die er nach Weisung des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) vergeben darf (“übertrifft die Anforderungen”). Der Präsident des OVG ändert die Beurteilung ab und setzt die Note auf die Stufe (“entspricht voll den Anforderungen”) herab. Im Text der Beurteilung bleibt die gesamte vor dem 01.03.1996 liegende Berufstätigkeit des älteren Richters unerwähnt. Dem älteren Richter wird damit bescheinigt, dass er mit 53 Jahren das Niveau eines geeigneten Berufsanfängers erreicht hat.
Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts selbst weicht für die Richter an seinem OVG von den Spielregeln ab, die er den Präsidenten der unteren Instanz vorgeschrieben hat: Er erteilt dem jüngeren Richter, der zum vorgeschriebenen Beurteilungsstichtag seit seiner Ernennung zum Richter am OVG zum 01.01.1997 ein Jahr lang in einem Beförderungsamt als Beisitzer gearbeitet hat und in dieser Zeit wegen seiner Freistellung für Verwaltungszuarbeiten für den Präsidenten des OVG mit seiner halben Arbeitskraft richterlich tätig war die Note “sehr gut”. Das sind drei Notenstufen über der Beurteilung des älteren Richters.
II. Der weitere Verlauf
Im September 1998 legt der ältere Richter gegen seine Beurteilung beim Sächsischen Staatsministerium der Justiz (SMJ) Widerspruch ein mit dem Antrag, sie “für unwirksam zu erklären und aus den Personalakten zu entfernen”. Das SMJ teilt ihm durch Schreiben vom Oktober 1998 mit, es habe den Widerspruch zuständigkeitshalber an den Präsidenten des OVG delegiert.
Der Präsident des OVG reagiert nicht, was dem älteren Richter den Rechtsweg der Anfechtungsklage versperrt. Er lässt den Widerspruch unbearbeitet mit der Folge, dass dem älteren Richter jede Beförderungsmöglichkeit in Sachsen, aber auch jede Möglichkeit der Versetzung in ein anderes Amt oder in ein anderes Bundesland genommen ist: Wer nimmt schon einen, der noch im Alter von 53 Jahren nur die Qualifikation eines Berufsanfängers hat?
Der ältere Richter findet diese Behandlung unerträglich. Im März 1999 erhebt er Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht. Der Präsident des OVG bleibt weiter untätig.
Im April 2000 geht der Präsident des OVG in den Ruhestand. Er wird von dem heutigen Präsidenten des OVG abgelöst. Dieser setzt die Untätigkeit seines Vorgängers fort.
Dem SMJ ist die Untätigkeit der Präsidenten des OVG bekannt. Es schreitet nicht im Wege der Dienstaufsicht ein und hält die Präsidenten des OVG zu rechtmäßigem Verhalten an sondern ergreift deren Partei: Das SMJ betreibt den Prozess über die Untätigkeitsklage des älteren Richters auf der Beklagtenseite.
Im April 2001 bewirbt sich der ältere Richter um eine Beförderungsstelle (Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht). Möglicherweise wird ja die Stellenbesetzung durch die ungeklärte Beurteilungsfrage blockiert und die Justizverwaltung so gezwungen, ihre Untätigkeit in der Beurteilungsfrage aufzugeben.
Im November 2001 kommt es zu der mündlichen Verhandlung über die Untätigkeitsklage des älteren Richters vor dem Verwaltungsgericht. Der Vorsitzende weist den Vertreter des SMJ auf die Rechtswidrigkeit der Stichtagsbeurteilung hin. Vor dem Hintergrund der drohenden Niederlage geht dieser die Verpflichtung ein, die Stichtagsbeurteilung für unwirksam zu erklären und aus den Personalakten zu entfernen. Weiter verpflichtet sich der Freistaat Sachsen zur Übernahme der Gerichtskosten und der Anwaltskosten des älteren Richters.
Diese Regelung entspricht exakt dem Antrag, den der ältere Richter im September 1998 an das SMJ gestellt hatte. Wäre dem Antrag schon im Verwaltungsverfahren im Jahre 1998 stattgegeben worden, hätte es kein Gerichtsverfahren und auch keine (vom Steuerzahler zu tragenden) Gerichts- und Anwaltskosten gegeben.
Am 14.12.2001 erhält der ältere Richter eine korrekte “Stichtagsbeurteilung 98” mit der Note “sehr gut”. Damit hat das SMJ nach mehr als drei Jahren anerkannt, dass die im Jahre 1998 erteilte Stichtagsbeurteilung falsch war.
III. Das Konkurrentenverfahren
Vor dem Hintergrund dieser Beurteilung lässt der ältere Richter seine Bewerbung um das Amt eines Vorsitzenden Richters am OVG weiter laufen. Jetzt will er die Stelle auch haben. Auch der jüngere Richter hat sich um die Stelle beworben.
Im März 2002 entscheidet sich das SMJ für den jüngeren Richter. Die Entscheidung wird der Personalvertretung der Verwaltungsrichter für Beförderungsangelegenheiten (=Präsidialrat) vorgelegt. Der Präsidialrat schlägt den älteren Richter vor. Die Personalabteilung des SMJ beachtet den Gegenvorschlag sachkundiger Richter nicht. Im Juni 2002 teilt sie dem älteren Richter mit, dass es für das Interesse an der ausgeschriebenen Stelle danke. Leider habe seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden können. Die Stelle sei für den jüngeren Richter vorgesehen.
Der ältere Richter legt gegen die Ablehnung Widerspruch ein und beantragt vor dem Verwaltungsgericht Eilrechtsschutz.
Durch Beschluss vom 11.12.2002 (Az.: 11 K 1364/02) gibt das Verwaltungsgericht Dresden dem Antrag statt und untersagt dem Freistaat Sachsen, die ausgeschriebene Stelle mit dem jüngeren Richter zu besetzen, solange nicht eine erneute Auswahlentscheidung bestandskräftig getroffen worden ist. Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass “dem Vorgang zu der streitbefangenen Auswahlentscheidung nicht zu entnehmen” ist, “ob der Antragsgegner bei der Würdigung der Regelbeurteilung für den Antragsteller vom 14.12.2001 dem beruflichen Werdegang des Antragstellers hinreichend Rechnung getragen hat”.
Das SMJ hat gegen die Entscheidung Beschwerde zum Sächsischen OVG eingelegt.
IV. Die Konkurrenten
a.) Der ältere Richter:
Der ältere Richter ist seit 1975 Richter in Baden Württemberg (Strafrichter, Zivilrichter, Familienrichter und Richter für freiwillige Gerichtsbarkeit). Er arbeitet am Amtsgericht und am Landgericht, er sammelt Erfahrungen als Richter der ersten Instanz und am Berufungsgericht. Zum 01.07.1991 wird er nach Sachsen abgeordnet. Dort baut er als Abteilungsleiter am Kreisgericht Leipzig-Stadt/Amtsgericht Leipzig die Familien- und Vormundschaftsabteilung auf. Am 01.07.1993 wechselt er die Gerichtsbarkeit und wird Sozialrichter (Sozialgericht Dresden). Zum 01.01.1994 wird er als Direktor der Sozialgerichts Leipzig von Baden-Württemberg nach Sachsen versetzt. Zum 01.03.1996 wechselt er zum zweiten Mal die Gerichtsbarkeit und wird Verwaltungsrichter. Seitdem ist er Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht in Dresden.
Aus seinen fachlichen Leistungen und seinem beruflichen Engagement:
Im Jahre 1991 erreicht der ältere Richter vor dem Bundesverfassungsgericht, dass das bisherige Ehenamensrecht für verfassungswidrig erklärt wird. Seitdem können Eheleute ihre Familiennamen beibehalten; seitdem wird im Zweifel nicht mehr automatisch der Name des Mannes zum Ehenamen.
Der ältere Richter war Gründungsmitglied und Bundesvorstandsmitglied der Neuen Richtervereinigung. Er war Vorsitzender des Verbandes sächsischer Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter. Sein rechtsstaatliches Engagement reicht 20 Jahre zurück und ist gegenwärtig: Siehe die Internetseite www.gewaltenteilung.de.
b.) Der jüngere Richter:
Zur Person des jüngeren Richters mag das Staatsministerium der Justiz Auskunft geben. Dieser wird in den Versuch hineingezogen, den älteren Richter durch eine falsche Beurteilung auf Dauer von Beförderungen auszuschließen (auf Dauer deshalb, weil die Stichtagsbeurteilung 1998 aus Altersgründen die letzte Regelbeurteilung ist, die der ältere Richter in seinem Berufsleben erhält und auf der er bis zur Pensionierung sitzen bleiben soll).