Karl Nolle, MdL
DNN, 09.07.1999
SPD-Führungsetage vor möglichem Stühlerücken in Partei und Fraktion
Vorstand fast gestürzt/Leonhardt soll Vize Platz machen
DRESDEN. Nach außen hin ist in der Dresdner SPD auch nach dem schlechten Abschneiden bei den Kommunalwahlen am 13. Juni alles beim alten. Intern sieht die Sache anders aus: Nach DNN-Informationen stand Parteichef Manfred Müntjes mit dem gesamten Vorstand kurz vor dem Sturz. Fraktionschef Albrecht Leonhardt soll nach der Landtagswahl Platz für seinen Vize Andreas Herrmann machen.
Müntjes bestätigte gestern Angaben, wonach bei einer Sondersitzung am 22. Juni fast die Hälfte des Vorstands des Unterbezirks Dresden-Elbe-Röder (über 800 Mitglieder, rund 500 in Dresden) für den eigenen Sturz, für den Rücktritt des gesamten 15köpfigen Gremiums stimmte. Die Genossen des Ortsverein Gruna mit Unterbezirks-Schatzmeister Martin Schwan hatten diesen Schritt gefordert. Sieben Vorständler stimmten für, acht gegen den Antrag.
Fraktionschef Albrecht Leonhardt konnte sich zwar vergangene Woche bei der Neuwahl im Amt behaupten. Weder er noch sein neuer Stellvertreter Andreas Herrmann mochten jedoch gestern Angaben aus Parteikreisen dementieren, wonach er den Chefsessel für Herrmann freimacht, falls er bei den Landtagswahlen am 19. September ins Parlament einzieht. Leonhardt steht auf Platz 20 der SPD-Landesliste, 1994 reichte Platz 22 für ein Mandat.
In einem Brief an die SPD-Mitglieder, der den DNN vorliegt, kritisieren die Grunaer Genossen Müntjes: Der habe "leider fast ohne Rücksicht auf Parteiinteressen" den Ausbau eigener Positionen betrieben, Gefolgsleute belohnt und Gegner bestraft.
Müntjes sah gestern wohl die Notwendigkeit personeller Erneuerung in der SPD: "Der Vorstand in dieser Form hat versagt." Einen Rücktritt en bloc hielt er jedoch für falsch. Man müsse individuell schauen, wer wo mit welchem Erfolg gearbeitet habe. Das soll nach der Landtagswahl geschehen. Es sei nicht so, daß der Vorstand an seinem Stuhl klebe, sagte Müntjes. Nur müsse man personelle Alternativen bieten. Dem Vernehmen nach sollte Verleger Karl Nolle neuer Chef werden. Er habe abgewinkt, sagte Nolle gestern auf DNN-Anfrage. Reguläre Neuwahlen stehen beim Parteitag im November an.
Laut Müntjes haben die rücktrittsbereiten Vorständler zugesagt, bis zur Landtagswahl weiter mitzuarbeiten. Für die Zeit nach Schließung der Wahllokale sagen SPD-Insider ohnehin ein Großreinemachen auch auf Landesebene voraus. Der Unterbezirk sei nur der Testlauf gewesen.
(Stefan Alberti)