Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 30.01.2003
Fischzüge im Regenbecken: Geld für alte Sünden
Die Wasserski-Anlage Rossau ist mithilfe cleverer Finanztricks erbaut worden - Doch nun ist der einstige Besitzer pleite und die Gemeinde will noch mal in die Kasse greifen
ROSSAU. Es war ein Coup, geplant von cleveren Geschäftemachern, das Ergebnis ein feuchtfröhliches Vergnügen: die Wasserskianlage Rossau. Sie hat das Dorf im Landkreis Mittweida über Sachsens Grenzen hinaus bekannt gemacht. Doch wie das bei feuchtfröhlichen Ereignissen so ist: Ihnen folgt Katerstimmung. Die Sün- den der Vergangenheit haben die Väter des Projekts eingeholt.
Horst Glöß, Rossaus Bürgermeister, bis zum Hals im Wasser. Alte Freunde erwarten sein Entgegenkommen, eine Bank will ihr Geld zurück. Glöß hätte die Macht, allen einen Gefallen zu tun. Aber er wird beobachtet. Gerade erst hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt. Die Anzeige kam vom Bund der Steuerzahler Sachsen. Untreue und Vorteilsnahme im Amt lauteten die Vorwürfe, weil Glöß in den 90er Jahren in Rossau ein Firmenkonstrukt zugelassen hatte, das seinen westdeutschen Partnern Profit einbrachte, während die Gemeinde auf Geld verzichtete.
Glöß hatte Glück: Die Vorfälle sind verjährt. Doch Thomas Meyer, Präsident des Steuerzahlerbundes, warnt das Gemeindeoberhaupt: „Der Bürgermeister darf die Einstellung des Verfahrens nicht als Freispruch betrachten.“ Und: „Was Glöß in diesem Jahr tun sollte, ist nicht verjährt.“
Es war einmal im wilden Osten
Um zu verstehen, um was es heute geht, muss man in die Zeit des wilden Ostens zurück reisen. Rossau, Anfang der 90er Jahre. Die Indu-Park GmbH war dabei, das Gewerbegebiet der Gemeinde zu erschließen. Indu-Park ist das Kernstück des umstrittenen Geflechts gewesen, eine Firma mit sechs Gesellschaftern: den Geschäftsleuten Josef Ball, Joachim Westerhoff und Reinhold Lange, dem Zahnarzt Hans-Joachim Schroeter und dem Notar Volker Cramer plus Gemeinde, vertreten durch Bürgermeister Horst Glöß.
Jedes Gewerbegebiet braucht Regenrückhalteanlagen. Indu-Park malte vier davon aufs Papier. Der Standort sollte zwölf Millionen Mark kosten. Der Freistaat gab fünf Millionen Zuschuss. Als die Fördermittel gebongt waren, planten die Indu-Park-Macher um: Statt vier Becken erhielt das Gewerbegebiet nur eines. Das aber war groß, so groß wie ein kleiner See. Stahlmasten und Seilzüge wurden bestellt; aus dem Regenbecken wurde eine Wasserskibahn, die von Indu-Park-Mitgesellschafter Josef Ball in Besitz genommen wurde.
Der Landtagsabgeordnete Karl Nolle (SPD) prangert diesen Vorgang heute als klaren Subventionsbetrug an: „Ball brauchte einen See. Den hat er sich mit Fördermitteln bezahlen lassen. Eine private Wasserskianlage wäre niemals bezuschusst worden.“ Eine Regenrückhalteanlage hingegen schon. Zirka 800.000 Mark Fördergelder stecken im Becken.
Im Regierungspräsidium Chemnitz sieht man den Fall lockerer als Nolle. Das Becken halte ja trotz Wasserski den Regen zurück, erklärt Sprecher Olaf Weiß. Der Zweck, für den Geld geflossen ist, sei also erfüllt. Ergo: kein Betrug. „Eher cleveres Wirtschaften“, meint Weiß. Coup geglückt.
Die Inhaber von Indu-Park verstanden sich auf Coups. Ihr größter war der Verkauf der Firma an ein Unternehmen namens GEV, das sie selbst gründeten. Indu-Park besaß Wiesen für vier Millionen Mark. Die cleveren Wirtschafter aber waren bereit, mit der GEV 15 Millionen für Indu-Park - also an sich selbst - zu zahlen.
Durch den simplen Trick hatte jeder der sechs Gesellschafter einen Anspruch auf 2,5 Millionen Mark Gewinn aus dem Firmenverkauf erworben. Die Gewerbegebiet-Erschließungsfirma war zum Goldesel geworden. Er fraß Rasen, und hinten kamen Dukaten heraus.
Zuvor freilich musste der Verdauungstrakt arbeiten. Wiesen wurden zu Gewerbeflächen. Ihr Verkauf an ansiedlungswillige Unternehmer spülte den Profit in die Firmenkasse, den die Gesellschafter brauchten, um sich ihre Gewinne zu nehmen. Sogar das mit Fördermitteln erbaute Regenbecken wurde vergoldet.
Die Macht am kurzen Hebel
In einem Gewerbegebiet gibt es ein Grundstück, das wohl kein Unternehmer kaufen will: das Regenrückhaltebecken. Die Indu-Park-Macher jedoch zauberten einen Käufer aus dem Hut. Bürgermeister Glöß war bereit, aus der Gemeindekasse eine Million Mark zu zahlen. Mehr Profit im Magen des Goldesels.
Nicht Josef Ball, der eine Wasserskianlage betreiben wollte, zahlte, sondern das Dorf Rossau. Trotzdem bekam der Kaufmann Ball sein Ski-Gelände: Horst Glöß überließ es ihm als Erbpachtgrundstück für 99 Jahre und für die überschaubare Summe von 12.000 Mark pro Jahr.
Von seinen Partnern aus dem Westen hätte der Bürgermeister lernen können, wie man zu Geld kommt. Aber Glöß hatte wohl nicht aufgepasst. Er besaß eine starke Verhandlungsposition: Die Fördermittel für das Gewerbegebiet hatte der Freistaat nur unter der Bedingung gewährt, dass die öffentlichen Anlagen - unter ihnen das Regenbecken - am Ende im Besitz der Gemeinde Rossau sind. Der Dorf-Chef hätte sich das Gelände schenken lassen können - oder Indu-Park hätte alle Fördermittel verloren.
Der Bürgermeister saß am langen Hebel, aber andere zogen daran. Sie tun es heute noch. Josef Ball schuldet der Volksbank Mittweida Geld. Im Jahr 2001 stimmte die Gemeinde zu, dass ihr Grundstück mit einer Hypothek in Höhe von 150.000 Mark belastet wird. Thomas Meyer vom Steuerzahlerbund: „Aus dem Erbpacht-Vertrag ergibt sich keine Verpflichtung dazu. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso Glöß das hat machen lassen.“ Die Bank hätte sich ein Ball-Grundstück im Westen suchen können.
Dazu der Bürgermeister: „Der Ball hatte doch nichts mehr. Und wir wollten der Volksbank eine Sicherheit bieten.“ Ein Samariter, treu bis zum Schluss. Weil Josef Ball bankrott und schwer erkrankt ist, bereitet Horst Glöß derzeit die Rücknahme des Erbpachtrechts vor. Dabei soll der alte Partner aber nicht nur von seinen Verpflichtungen entbunden werden. Er soll darüber hinaus eine Entschädigung erhalten: Geld für entgangenene Geschäfte und Geld für die Anlagen zum Wasserski fahren.
Inzwischen hat die Wasserskianlage einen neuen Betreiber, den Rechtsanwalt Peter Konzuch aus Dresden. Er hat einen Wasserski-Club gegründet und organisiert gutbesuchte Surfertreffen. Das Vorhaben des Bürgermeisters versteht er nicht: „Die Gemeinde muss da doch nur zahlen.“ Hinterher bekäme Rossau zwar die Pacht, die der Wasserski-Veranstalter heute an Ball überweist, aber Konzuch schätzt, dass es viele Jahre dauert, bis das Loch in der Kasse wieder gestopft hätte. Glöß’ Ex-Partner wäre freilich wieder flüssig.
Allerdings ist es umstritten, ob Josef Ball überhaupt Eigentümer der Anlage ist. Die neuen Inhaber der Firma Indu-Park haben Ansprüche angemeldet. Sie belegen, dass Seilzug und Gebäude seinerzeit nicht von Ball, sondern durch Indu-Park bezahlt worden sind. Die Firma ist Inhaber der Baugenehmigung, hat die Bestellung ausgelöst und die Rechnung beglichen. Die alten Gesellschafter erklären zwar, dass die 250.000 Mark, die das Wasserski-Vergnügen gekostet hat, mit Bargeldansprüchen Balls verrechnet worden seien, aber einen Beleg dafür scheint es nicht zu geben.
Viele Kinder und kein Geld
Im Gespräch mit der „Freien Presse“ ruderte Bürgermeister Glöß jetzt zurück. „Wir wollen nur prüfen, ob sich die Auflösung des Erbpachtrechts für die Gemeinde rentiert. Die Entschädigung darf natürlich nicht viel kosten. Wir brauchen unser Geld doch für einen neuen Kindergarten.“
In Rossau herrscht nämlich keine Kindernot. Der vor einem Jahr sanierte Kindergarten ist schon wieder zu klein. Wohl der Gemeinde, die solch angenehme Sorgen hat. Aber wehe der Gemeinde, die ihr Geld für private Sorgen Fremder ausgeben will.
(Von Mario Ulbricht)