Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 28.02.2003

Die Wirtschaft soll Schule machen

Neues Unterrichtsfach wird flächendeckend eingeführt
 
Er hat eine ganze Reihe von Steckenpferden. Schulpolitik gehörte bislang eher nicht dazu. Doch nun tritt SPD-Wirtschaftsexperte Karl Nolle auch beim Thema Lehre auf den Plan: Die Unternehmer in Deutschland hätten ein „Akzeptanzproblem“, deshalb müssten sie in den Unterricht. Und zwar als Gäste eines eigenständiges Fachs Wirtschaft. Dieses könne helfen, die Menschen aufgeschlossener gegenüber Unternehmertum, Eigenverantwortung und Marktwirtschaft zu machen, glaubt Nolle. Bisher würden in Sachsen viele Firmenchefs als „kleine Betrüger“ ansehen.

Das im Vergleich zu anderen Ländern „blamable Defizit“ an ausreichenden Kenntnissen über Ökonomie und Marktwirtschaft ist für den Chef des Arbeitgeberverbandes der Druckindustrie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein weiterer Grund.

Das Fach „Wirtschaft“ könnte, etwa durch Praktika von Schülern und Lehrern in Firmen, zudem Erfahrungen mit dem DDR-Unterricht „Einführung in die sozialistische Produktion“ und „Produktive Arbeit“ einfließen lassen. Und Unternehmer – wie er selbst – als Gäste? „Damit lässt sich wirtschaftliches Denken verbessern“, denkt Nolle.

Das denkt die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) ebenso. Deren Sprecher Ekhardt Preuß hebt vor allem die „lebendige Zusammenarbeit“ hervor, die Nolles Modell zwischen Wirtschaft und Schule vorsieht. Es stelle sich allerdings die Frage, inwieweit die Betriebe zu einer kontinuierlichen Kooperation tatsächlich bereit wären: „Wünschenswert wäre sie in jedem Fall.“

Für berufliche Orientierung bedeutend

Auf eine enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Region baut indes auch Kultusminister Karl Mannsfeld (CDU). Er hat ab dem nächsten Schuljahr zwar nicht ein neues, eigenständiges Fach Wirtschaft vorgesehen. Allerdings wird dann flächendeckend in den 7. Klassen aller sächsischen Mittelschulen das Fach „Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales“ (WTH) eingeführt.

Mannsfelds Hoffnungen ähneln durchaus auch den Wünschen von Nolle: „Wir erwarten von dem Fach, dass den Schülerinnen und Schülern mehr Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und Methoden vermittelt wird“, sagt der Ressortchef. Dies sei vor allem für die eigene berufliche Orientierung von entscheidender Bedeutung.

Gewerkschaft grundsätzlich zufrieden

Die GEW – sonst mit dem Kultusminister im Dauerclinch angesichts des laufenden Volksbegehrens für den Erhalt kleiner Schulen – zeigt sich mit der vorgesehenen Neuerung grundsätzlich zufrieden. WTH sei eine „feine Sache“, nicht nur deshalb, weil maximal 16 Jungen und Mädchen in einer Gruppe unterrichtet werden sollen, sagt Preuß. Von seiner Anlage her tauge es dazu, den Schülern Spaß zu machen – und ihnen zugleich viel für das Leben mitzugeben.
Ganz mit Kritik spart Preuß denn doch nicht: Er habe Zweifel, ob rechtzeitig zu Beginn des nächsten Schuljahres genügend Lehrer für das Fach WTH gerüstet sein werden.

Sein Vorwurf: „Mit der Fortbildung wurde zu spät angefangen.“ Er befürchte zudem, dass sich das Kultusministerium auch über den Stand der technischen Ausrüstung an den Mittelschulen ein falsches, ein zu positives Bild mache.

Von Tino Moritz Artikel vom 28.02.2003 01:03