Karl Nolle, MdL
Lausitzer Rundschau online, 17.04.2003
Schröder wirft Kritikern «Denkfehler» vor
Gewerkschaften sind in der Kritik am Konzept und Forderung nach Nachbesserungen einig.
Berlin (dpa) - Im Streit um die Sozialreformen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seinen parteiinternen Kritikern grundsätzliche «Denkfehler» vorgeworfen.
Unterdessen entzweite der Konflikt auch den linken Flügel der SPD-Bundestagsfraktion: Die Parlamentarische Linke (PL) distanzierte sich am Donnerstag von dem Vorstoß von zwölf Fraktionskollegen, die ein SPD-Mitgliederbegehren gegen Schröders Konzept anstreben. Dieses Begehren ist nach einer dpa-Umfrage bislang mit eher verhaltenem Zuspruch angelaufen.
Schröder hielt den Kritikern seiner geplanten Arbeitsmarkt- und Sozialreformen vor, sie wollten «an etwas festhalten, dem die reale Grundlage entzogen ist». Es komme aber jetzt darauf an, «dass sich die Partei mit der Wirklichkeit auseinander setzt und nicht das Wünschbare für die Wirklichkeit hält», sagte Schröder dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».
Die beiden Sprecher der PL, Fraktionsvize Michael Müller und Gernot Erler, warfen den Initiatoren des Mitgliederbegehrens konspiratives Vorgehen vor. Sie fühlten sich dadurch hintergangen. Beide hielten der Gruppe vor, mit ihrem Vorstoß die SPD in eine «Ja- Nein-Situation» über Schröders Vorschläge hineinmanövriert zu haben. Es müsse jetzt alles getan werden, «um den Laden zusammen zu halten».
Müller und Erler kündigten einen Kompromiss mit konkreten Vorschlägen zu Arbeitslosengeld und Gesundheitsreform an. «An unpopulären Maßnahmen führt aber kein Weg vorbei», sagten sie. Zu den Änderungswünschen gehört nach Müllers Angaben bei der vorgesehenen Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes eine regionale Härteklausel für Ältere. Überdacht werden müsse, ob das Arbeitslosenhilfe tatsächlich auf Sozialhilfeniveau abgesenkt werden könne. Die PL erwägt ferner, bei der Gesundheitsreform die private Krankenversicherung in den Finanzausgleich der Kassen einzubeziehen.
Die Initiatoren des Mitgliederbegehrens sprachen davon, dass es gut angelaufen sei. Der Geschäftsführer der koordinierenden bayerischen Jusos, Markus Grill, sagte, er erhalte Unterschriftenlisten aus dem ganzen Bundesgebiet. Zahlen gebe es aber noch nicht. Im Berliner Landesverband blieb die Aktion dagegen ohne größere Resonanz. Bayerns DGB-Chef Fritz Schösser, ein Erstunterzeichner, sagte, der Gruppe gehe es nicht um einen Bruch mit der Partei. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte im Deutschlandradio Berlin, es gebe keine Alternative zur «Agenda 2010».
DGB und IG Metall wiesen Berichte zurück, der SPD-interne Streit um die geplanten Sozialreformen spalte die Gewerkschaften. «Wir befinden uns in voller Übereinstimmung mit dem DGB und den anderen Gewerkschaften», sagte IG Metall-Sprecher Claus Eilrich. Beim DGB hieß es, die Gewerkschaften seien sich in der Kritik am Konzept und in der Forderung nach Nachbesserungen einig. Die «Financial Times Deutschland» hatte gemeldet, der Streit habe die Gewerkschaften gespalten und die IG Metall wegen der deutlich härteren Position ihres designierten Vorsitzenden Jürgen Peters «isoliert».
Ein Großteil der SPD-Basis in Sachsen ist nach Einschätzung des dortigen Landtagsabgeordneten Karl Nolle über die Reformpläne der Bundesregierung enttäuscht. Bis zu 80 Prozent der Mitglieder seien erbost und verbittert, sagte Nolle der dpa. In Sachsen-Anhalt unterstützen nach Angaben des Landeschefs der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Andreas Steppuhn, mehrere namhafte Sozialdemokraten das Begehren. SPD-Landeschef Manfred Püchel nannte die Aktion «kontraproduktiv».
Artikel vom 17.04.2003 16:13