Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 23.04.2003

Provinzposse soll Freistaat mehr als 100 Millionen Euro kosten

Mangelnde Vertragstreue der Stadt Penig bei Chemnitz und das Nichteinschreiten der Rechtsaufsicht bis hinauf ins Innenministerium sollen seine HMK-Firmengruppe in den Ruin getrieben haben.
 
Dresden/Penig. Genau 104.760.485 Euro und 69 Cent verlangt der süddeutsche Bauunternehmer Heribert Kempen von der Stadt Penig, dem Landkreis Mittweida und dem Freistaat Sachsen an Schadensersatz. Es klingt nach einem Witz, aber die lawinenartig eskalierende Provinzposse um wenige Meter einer Grundstückszufahrt ist Auslöser dieser gewaltigen Forderung. Mangelnde Vertragstreue der Stadt Penig bei Chemnitz und das Nichteinschreiten der Rechtsaufsicht bis hinauf ins Innenministerium sollen seine HMK-Firmengruppe in den Ruin getrieben haben. Eine entsprechende Klage liegt dieser Zeitung vor und soll noch in dieser Woche beim Landgericht Konstanz eingereicht werden.

Erneute Klage trotz Niederlagen in drei Instanzen

Obgleich Kempen bereits in drei Instanzen bis hinauf zum Bundesgerichtshof gescheitert war, unternimmt er einen weiteren Anlauf. Er unterstellt Penigs Bürgermeister Thomas Eulenberger falsche Aussagen, also Prozessbetrug.

Rechtsanwalt Schatz aus der Kanzlei Reiner Fuellmich in Göttingen hat die Klage aufgesetzt. Fuellmich vertritt übrigens auch die ehemaligen Sachsenring-Vorstände, die Gebrüder Rittinghaus, in der angeblichen CDU-Parteispendenaffäre von 1999, die derzeit ein Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages klären will.

An der "Penig-Affäre" fällt auf, dass sowohl Kempen und sein Chefberater Prof. Wolfgang Peitz als auch seine Prozessgegner ebenso der CDU angehören wie ein in der Sache besonders eifrig recherchierender MDR-Fernsehjournalist. Dass man den Fall im Innenministerium wegen möglicher Amtshaftung ernst nimmt, unterstreicht ein knappes Dutzend gesammelter Aktenordner.

1997 hatte Unternehmer Kempen mit seiner damals finanziell gesunden HMK unter anderen das streitige Grundstück von der Stadt Penig erworben, das er zu einer Eigentumswohnanlage um-bauen wollte. Für die notwendigen Auto-Stellplätze hatte sich die Stadt im Kaufvertrag zur Schaffung einer "Zuwegung" verpflichtet. Die allerdings muss für ein paar Meter über das Nachbargrundstück führen, weshalb eine Baulast eingetragen werden sollte, die die notwendige Fläche praktisch frei hält.

"Zuwegung" oder geschenkte Stellplätze

Ist "Zuwegung" nun gleich "Wegerecht"? Kempen sagt ja, Innenstaatssekretär Albrecht Buttolo nein. Wurde die Baulast verspätet oder sogar bewusst verzögert beim Landratsamt eingetragen, so dass Kempen die Kaufsumme von 185.000 Mark verweigern und vom Kauf zurücktreten konnte? Die Gerichte verneinen dies bislang.

Bürgermeister Eulenberger soll inzwischen nach Zeugenaussage von SPD-Oberaufklärer Karl Nolle aber zugegeben haben, dass ihm die für den Autoverkehr unzureichende "Zuwegung" durchaus bewusst war.

"Kempen hätte die faktisch vorhandene Zufahrt auf jeden Fall nutzen können", meint aber der Staatssekretär. Und präsentiert einen genehmigten Bauantrag von 1999, bei dem die Stadt sogar erweiterte straßennahe Stellplätze "hinzuschenkt", die das Zufahrtsproblem überflüssig machen. Kempen kontert mit widersprüchlicher Grundstücksvermessung und eigenmächtiger Erweiterung durch die Ämter: "Der Straßenanschluss hätte mich wegen der Beitragserschließungspflicht 100.000 Mark mehr gekostet!"

Kläger spricht von Rufmord der Peniger Stadtspitze

Jedenfalls hat Kempen durch den Dortmunder Steuerberater Reinhard Schmiedel vorrechnen lassen, dass "kreditschädigendes Verhalten" und Rufmord durch die Peniger Stadtspitze wie in einem Dominoeffekt den Firmenzusammenbruch bewirkt haben sollen.

Wo liegen die Motive? "Der Wessi wurde den Lokalfürsten zu mächtig", meint Kempen nach wie vor. "Quatsch", sagt Landrat Andreas Schramm und vermutet hinter allem die Rache seines Intimfeindes, des ehemaligen Sparkassenchefs Kurt Fischer, der wegen des Vorwurfs einer geplanten Entführung des Landrats verurteilt wurde.

Und im Innenministerium wird hinter vorgehaltener Hand auf die sich 1998 abzeichnende Bau- und Wohnungskrise verwiesen, die Kempen möglicher-weise nach einem Vorwand für seinen Rückzug suchen ließ.
(Michael Bartsch)