Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, Lokales Hoyerswerda, 15.05.2003
Warten - hilfreich für den Einzelnen
SPD-Politiker erklärt in Hoyerswerda Chancen des Bevölkerungswandels
HOYERSWERDA. Karl Nolle wäre gern sächsischer Wirtschaftsminister, wenn man ihm den Job anbieten würde. Das räumte der 57-jährige Chef einer Dresdener Druckerei am Dienstag freimütig am Rande eines Besuches in Hoyerswerda ein. Nun gehört Nolle aber der SPD-Landtags-Fraktion an und die vergibt im Moment keine Ministerposten. Auch um das zu ändern, gibt der schwergewichtige Mann zu, zieht er als eine Art Wanderprediger durchs Land. Zum wiederholten Male war er so auch im Saal der Sparkasse Elbtal-Westlausitz in der Altstadt bei einer Gesprächsrunde zugegen.
Er wollte dabei die Sicht seiner Fraktion zu Bevölkerungsentwicklung und Abwanderung in Sachsen erklären. „Chance oder Verhängnis?“ war als Thema über den Abend geschrieben worden, zu dem sich Nolle als Verstärkung seinen Fraktionschef Thomas Jurk, die Bundestagsabgeordnete Barbara Wittig und Gabriele Köster vom Statistischen Landesamt mitgebracht hatte. Letztere präsentierte Zahlen, um zu untermauern, was jeder ahnt, der die toten Fenster-Augen in der Hoyerswerdaer Neustadt sieht: Von 1990 bis 2002 haben 26 000 Menschen die Stadt verlassen, der extremste Aderlass in sächsischen Städten. Die Jungen gehen, die Alten werden mehr. Viele verlassen ihre Heimat, sagt Gabriele Köster, um einen Job zu finden, noch mehr aber, um woanders besser bezahlt zu werden. Für letztere Feststellung erntete sie beifälliges Nicken bei Lausitzbad-Chef Frank Ringel, der unter den Gästen saß: „Eine meiner jungen Angestellten verlässt mich jetzt in Richtung Ulm. Dort kann sie einfach mehr verdienen.“ Soweit das Verhängnis.
Für die Chancen war Karl Nolle zuständig. Im Kern verlangt er, mehr für den Mittelstand zu tun, damit der gut bezahlte Arbeit schaffen kann, und eine familienfreundliche Politik zu betreiben, um die leeren Landstriche mit Menschen aufzufüllen. Für den Einzelnen, so sagte er, könne aber auch schon helfen, zu warten: „2006 werden mehr Menschen in Rente gehen, als Jugendliche da sind, die eine Lehre aufnehmen können. Dann werden die Unternehmen mit höheren Löhnen um die besten Facharbeiter kämpfen müssen.“ Für den Moment hilft das zum Beispiel Rüdiger Karneth von der SpVgg Hoyerswerda 1919 wenig: „Acht meiner Jungs aus der B-Jugend finden keine Lehrstelle. Wenn das so bleibt, müssen die auch in den Westen.“ Damit war er bei Unternehmer Nolle gerade richtig: „Schicken Sie die zu mir. Vielleicht kann ich einen nehmen.“
(Mirko Kolodziej)