Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 20.05.2003

Geburtstags-Auftritt des ersten Zeugen beunruhigt die Union

Rittinghaus-Affäre
 
DRESDEN. Der große Auftritt fiel auf seinen Geburtstag. Gestern wurde Sachsens ehemaliger Vorzeigeunternehmer Ulf Rittinghaus 47 Jahre alt, gleichzeitig nahm er erstmals vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zu jener Affäre Stellung, die den Namen seiner ehemaligen Firma trägt: Sachsenring. Es geht um einen üblen Vorwurf: dass Rittinghaus von Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) im Oktober 1998 zu einem unsauberen Millionen-Deal überredet worden sei; dass sein Betrieb, der Zwickauer Autozulieferer Sachsenring AG (SAG), drei Millionen Mark an die CDU-nahe Imagekampagne "Sachsen für Sachsen" gespendet und das Land seine Fördermittel um vier Millionen Mark erhöht habe - als Gegenleistung, gut verpackt beim Verkauf der staatseigenen Dresdner Chipfabrik "Zentrum für Mikroelektronik" (ZMD) an SAG.

Das wäre ein klarer Fall von Veruntreuung, und Rittinghaus versuchte als erster "Zeuge der Anklage" gestern alles, um genau das wortreich zu belegen. Natürlich sei es so gewesen, dass ihn Schommer bei dem Treffen 1998 im Leipziger Saalepark zur Seite genommen habe, wiederholte der Ex-SAG-Chef alte Vorwürfe, und sicher sei das unsittliche Angebot des Ex-Ministers keineswegs aus einer "Weinlaune" heraus entstanden, wie Schommer jetzt behaupte. "Es ist nicht meine Lust und Laune, einen ehemaligen Minister in die Pfanne zu hauen", meinte Rittinghaus mit Verve, es gehe um viel mehr: um Aufklärung eines "Komplotts", um "Nötigung", kurzum: "ein immenser Skandal". Auch wenn Rittinghaus gestern in der Sache wenig Neues zu bieten hatte, sorgt der Fall in der Sachsen-Union für einige Unruhe. Das liegt zum einen am Untersuchungsausschuss selbst. Solche Verfahren ziehen sich in die Länge, und auch der Sachsenring-Ausschuss dürfte bis weit in den Landtagswahlkampf 2004 hinein reichen. Zum anderen ist die Affäre allemal in der Lage, auf eine unappetitliche Tatsache zu verweisen: dass hunderte Millionen Fördermittel in die ZMD geflossen sind - großteils ohne Zustimmung der Europäischen Union (EU). Und das Schlimmste: Nicht nur ehemalige Amtsträger wie Schommer spielten beim SAG/ZMD-Deal eine Rolle, auch Regierungschef Georg Milbradt (CDU) trug die Förderung als damaliger Finanzminister mit.

Das ist der eigentliche Hintersinn von Rittinghaus: Ihm geht es offensichtlich weniger ums Aufdecken vermeintlicher Parteispenden- und anderer Affären, es geht ums Geld. Begründung: Bis zuletzt habe ihn die Staatsregierung über das fehlende Okay der EU zur Förderung von ZMD im Unklaren gelassen. Dass rund 300 Millionen Mark offen waren, habe er erst gemerkt, als es zu spät war: Regierung und Banken ließen ihn fallen, "ich wurde immer mehr als ein lästiges Etwas empfunden". Am Ende blieb nur der Konkurs.

Die Opposition nutzte die Ge-mengelage gestern genüsslich in ihrem Sinne. "Die Vorwürfe sind noch dramatischer als angenommen", sagte SPD-Obmann Karl Nolle, und auch PDS-Ausschussmitglied Klaus Tischendorf legte nach: Es sei erwiesen, "dass der Verein ,Sachsen für Sachsen' lediglich zur Tarnung ins Leben gerufen wurde", die Sachsenring-Spende sei Ausfluss einer "politischen Nötigung".
(Jürgen Kochinke)