Karl Nolle, MdL

Sächssische Zeitung, 20.05.2003

Politkrimi als Dauerserie

Investor Ulf Rittinghaus bleibt dabei: CDU-Regierung bezahlte verdeckten Wahlkampf
 
Der Ex-Vorstandschef der insolventen Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) in Zwickau muss lange auf diesen Tag gewartet haben. Nachdem der 47-jährige Ulf Rittinghaus gestern bereits drei Stunden vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages zur Sachsenring-Affäre ausgesagt hatte, beteuerte er mehrfach, mit seinen Vorwürfen noch längst nicht am Ende zu sein. „Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen...!“

Über sieben Stunden sahen sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses schließlich mit einer Vielzahl weitgehend bekannter Details konfrontiert. Rittinghaus, dem im Fall einer Falschaussage Gefängnis droht, blieb dabei, dass die SAG 1999 nur deshalb drei Millionen Mark an den Verein „Sachsen für Sachsen“ gezahlt hat, weil ihm der damalige Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) zuvor als Gegenleistung eine entsprechend höhere staatliche Förderung beim Kauf der Zentrum Mikroelektronik Dresden GmbH (ZMD) versprochen hatte. Seine Geldspende habe dazu gedient, vor der Landtagswahl eine Werbekampagne zu finanzieren, die Kurt Biedenkopfs Wiederwahl als CDU-Ministerpräsident sichern helfen sollte.

Alle Schritte habe man mit Ex-Regierungssprecher Michael Sagurna abgestimmt. Einmal sei sogar Biedenkopf anwesend gewesen, der sich später schriftlich für die Hilfe bedankt habe. Dass Rittinghaus heute so offen über diesen Handel redet, begründet er mit der späteren SAG-Pleite, die im direkten Zusammenhang mit dem ZMD-Kauf stehen soll. Sachsens Staatsregierung habe nämlich nicht nur ihn als Käufer über die Situation des Unternehmens getäuscht, sondern zuvor jahrelang an der Europäischen Union vorbei illegale Subventionen an ZMD gezahlt. Als die Sache aufzufliegen drohte, habe man ihn, der über zehn Millionen Mark Privatvermögen in Sachsen investiert habe, kalt gestellt: „Ich wusste zu viel.“ Während der Sitzung übergab Rittinghaus dem Ausschuss neue Dokumente, die seine These stützen sollen. Nach SZ-Informationen handelt es sich um Papiere zur einstigen SAG-Finanzlage.

Der Ausschuss, in dem vor allem der Vorsitzende André Hahn (PDS) sowie Karl Nolle (SPD) agieren, hat es aber vorerst schwer, Licht in die Angelegenheit zu bringen, da eine Reihe von Akten nicht vorliegen. Darunter selbst eidesstattliche Erklärungen von Rittinghaus-Zeugen. Das Gremium will deshalb fehlendes Material beim SAG-Insolvenzverwalter beschlagnahmen. Außerdem sollen weitere Beteiligte vernommen werden. So sieht die PDS in Sagurna bereits „die Schlüsselfigur einer getarnten Wahlkampagne“ zugunsten der CDU. Ebenfalls mit einer Vorladung rechnen muss neben Ex-Minister Schommer die CDU-nahe Unternehmerin Viola Winkler. Unter ihrer Führung stand der Verein „Sachsen für Sachsen“, der seine Arbeit nach der 99er Wahl sofort einschränkte.
(Gunnar Saft)