Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 26.05.2003

Kräfte der Selbstreinigung

Den Fall Weber können Milbradt und CDU nicht isoliert sehen
 
Wie schwer es ist, persönliche Schwächen abzulegen, weiß jeder, der einmal den Versuch unternommen hat. Umso erstaunlicher sind prominente Beispiele erfolgreicher Selbsttherapie. Georg Milbradt zählt dazu. Er wollte Ministerpräsident werden und musste dafür sein Image als griesgrämiger Sparfuchs loswerden. Seiner Selbstdisziplin hat er den Karrieresprung zu verdanken.

Christine Weber dagegen hat nicht an ihrer Außenwirkung gearbeitet. Dabei wäre dieser Versuch nach der Beförderung zur Sozialministerin angeraten gewesen. Bereits als Frauenministerin ließ der Personalverschleiß auf Defizite in der Menschenführung schließen. Gedemütigte Mitarbeiter wehren sich nun gegen das Regime einer Ministerin, die die Angst vor der Überforderung bekämpft. Milbradt, der die Dame aus Zschopau aus Proporzgründen und Dank für Loyalität berief, hatte dieses Problem geahnt und deswegen einen erfahrenen Staatssekretär reaktiviert. Auch er droht zu resignieren. Bis zur Landtagswahl 2004 wollte Milbradt sein Kabinett trotz Fehlbesetzungen nicht verändern. Jetzt gerät er möglicherweise vorzeitig unter Handlungsdruck, hat aber in seiner Frauenriege nur eine spärliche Auswahl.

Die Sozialministerin muss erklären, welche Fördermittel sie für den Wasserschaden an ihrem Privathaus beantragt hat. Die Antwort bleibt sie bisher schuldig. Sie wird wissen, warum ihr die Menschen nicht mehr so recht trauen. Ihr Handeln, diktiert von Willensstärke und bizarrer Realitätsverdrängung, provoziert Reaktionen, die sie abzuqualifizieren sucht.

Sachsens CDU ist hellhörig geworden.

Sachsens CDU ist nach etlichen Skandalen hellhörig geworden. Paunsdorf und Penig sind nur zwei Stichworte für den Verdacht unheiliger Allianzen zwischen „Staatspartei" und Staatsbürokratie. Milbradt sitzt sicher im Sattel. Herausgehoben werden kann er nur, wenn sich im Volk der Eindruck festsetzen sollte, seiner Partei nicht mehr vertrauen zu können. Dagegen helfen können nur Kräfte der Selbstreinigung. Der Landesparteitag der CDU am 21. September liefert eine Chance. Im von der Flut gebeutelten Grimma will Hochwasser-Opfer Weber als stellvertretende Landesvorsitzende wiedergewählt werden.
(Hubert Kemper)