Karl Nolle, MdL
Leipziger Volkszeitung, 23.09.1999
Sachsen: Krise in SPD - Kunckel warf Kandidatur hin
Jurk neuer Vorsitzender der Landtagsfraktion
D r e s d e n / E r f u r t (dpa/Eig. Ber.). Thomas Jurk ist neuer Vorsitzender der Sozialdemokraten im sächsischen Landtag. Er wurde gestern bei der konstituierenden Sitzung der SPD-Fraktion in Dresden gewählt. Jurk tritt die Nachfolge von Karl-Heinz Kunckel an, der zu Beginn der Sitzung auf eine erneute Kandidatur für den Fraktionsvorsitz verzichtet hatte.
Nach der verheerenden Wahlniederlage der SPD vom 19. Oktober war Kunckel bereits als Landesparteichef zurückgetreten. Die SPD erreichte mit 10,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl.
Jurk wurden mit neun Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen zum neuen SPD-Fraktionschef gewählt. Kunckel nahm an der Sitzung nicht teil. Wie aus Fraktionskreisen verlautete, warf Kunckel in einer persönlichen Erklärung den Fraktionsmitgliedern unsolidarischen Umgang miteinander vor. In der Erklärung Kunckels heißt es unter anderem: "Die Führung der Fraktion wäre mir nur möglich, wenn es einen Grundkonsens in den wesentlichen Inhalten gibt." Er habe immer klare inhaltliche Positionen vertreten und stehe für einen bestimmten politischen Stil. "Dies sehe ich jetzt in Frage gestellt."
Die kommissarische SPD-Vorsitzende Constanze Krehl bedauerte den Entschluss ihres Vorgängers. "Persönlich finde ich das schade", sagte sie. Landesverband und Fraktion müssten jetzt gemeinsam neue Strategien für die weitere Arbeit der Partei entwickeln.
Zu Stellvertretern Jurks wurden der 66-jährige Chemieprofessor Cornelius Weiss aus Leipzig und die 50 Jahre alte Gisela Schwarz aus dem Erzgebirge gewählt. Neue parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion ist die 37 Jahre alte Chemnitzerin Barbara Ludwig.
In Thüringen zogen gestern der bisherige SPD-Fraktionschef Frieder Lippmann und Wissenschaftsminister Gerd Schuchardt (SPD) ihre Kandidatur für Spitzenposten von Partei und Fraktion zurück. Der umstrittene SPD-Landeschef Richard Dewes schloss dagegen eine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz nicht aus. Leitartikel/Seite 4