Karl Nolle, MdL
Freie Presse, 03.06.2003
Weber im Windhund-Rennen weiter vorn
Bürokratische Hürden und Kontrollen bei Antrag der Sozialministerin auf Flut-Fördergelder offenbar umgangen - Milbradt zögert
DRESDEN. Ministerpräsident Georg Milbradt will sich offensichtlich noch immer nicht von seiner bedrängten Sozialministerin Christine Weber trennen. Gestern, am frühen Abend, schloss Regierungssprecher Christian Striefler personelle Konsequenzen aus.
Die Staatskanzlei hatte zuvor permanent über die vielen Vorwürfe beraten, die gegen Weber im Raum stehen. Ergebnisse des Rechtsgutachtens des Innenministeriums sollen erst heute bekannt gegeben werden. Weber wird zunächst nur schriftlich aufgefordert, die exorbitante Erhöhung der Rechnungen für ihr Diensthandy zwischen September 2000 und Juni 2001 zu überprüfen und „dann zu bestätigen, dass es sich ausschließlich um dienstlich getätigte Gespräche handelt".
Offensichtlich weist der Bericht, der die Inanspruchnahme von Fördermitteln zur Beseitigung von Regenwasserschäden an Webers Privathaus überprüfen sollte, der Sächsischen Aufbaubank (SAB) den schwarzen Peter zu. Die SAB hatte nach Informationen der „Freien Presse" bereits am 4. Oktober 2002 davon Kenntnis, dass Regenwasser-Schäden nicht mehr unter die Förderrichtlinie fallen. Nach dieser Sachlage hätte der Weber-Antrag, der am 23. Oktober bewilligt worden war, nicht mehr genehmigt werden dürfen. Offiziell heißt es allerdings, dass die neue Förderrichtlinie erst am 25. Oktober zur SAB gelangt war.
Minister-Antrag in nur 14 Minuten bewilligt
Die Bewilligung der SAB-Gelder ist offensichtlich nach der Windhund-Methode vonstatten gegangen, frei nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Der Knackpunkt ist: Nur weil Ministerin Weber durch ihre Stellung und Beziehungen ihren Antrag schneller genehmigt bekommen hatte als die meisten andere, lag er zu dem frühen Zeitpunkt bei der SAB und konnte positiv beschieden werden. Bei allen anderen Anträgen im Raum Zschopau nahmen Mitarbeiter des Bau- und des Rechtssicherheits- und Ordnungsamtes in Augenschein, ob der, gemeldete Schaden mit dem tatsächlichen übereinstimmt. Anschließend erfolgte eine zweite Kontrolle durch Ingenieurbüros. Erst danach wurden die Anträge übers Landratsamt und das Regierungspräsidium weitergeleitet.
Beim „Fall Weber" hatte Zschopaus Oberbürgermeister Klaus Baumann (CDU) allem Anschein nach am 1. Oktober 2002 nur 14 Minuten benötigt, um den Fördermittelantrag seiner Parteifreundin Christine Weber zu bearbeiten. Das Ministerbüro Webers hatte um 11.42 Uhr unter der Nummer 5645791 ein vierseitiges Schreiben versandt, das bereits 11.56 Uhr an das Sozialministerium in Dresden zurückgefaxt wurde.
Die Eile war aus Sicht der Ministerin verständlich. Als Regierungsmitglied musste sie Kenntnis davon haben, dass sich der Freistaat gegen eine Anerkennung von Regenwasser-Schäden, wie von Bayern beabsichtigt, ausgesprochen hatte. Die geänderte Verwaltungsvorschrift stand am 26. September im Internet. Schon am 27. September hatten Regierungspräsidien und Landratsämter per Fax Kenntnis von der beabsichtigten Einengung der Richtlinie erhalten. Danach war nur die Bezuschussung von Schäden durch das Hochwasser von Elbe, Donau und ihrer Zuflüsse sowie durch hochwasserbedingten Anstieg des Grundwassers möglich. Diese Vorschrift wurde am 16./17. Oktober im Amtsblatt veröffentlicht.
Zehn Tage benötigte das sächsische Innenministerium, um ein Schreiben des Wohnungsbauministeriums aus Berlin vom 15. Oktober mit einer klaren Definition des Schadensbegriffs der Sächsischen Aufbaubank (SAB), den Regierungspräsidien, Landkreisen und Kommunen zuzuleiten. In dieser "Zeitspanne, am 23. Oktober, genehmigte die SAB den Weber-Antrag.
Staatsregierung hüllt sich in Schweigen
Die Staatsregierung hüllte sich gestern nahezu über den gesamten Tag in Schweigen, offenbar herrscht Unschlüssigkeit. Regierungssprecher Christian Striefler wollte Details und Ergebnisse der stundenlangen Beratungen möglichst unter der Decke halten. In ihrem eigenen Ministerium hatte Weber am Morgen durch ihren Referenten einen Kommentar der „Freien Presse", der sich kritisch mit Weber auseinander setzt, aus dem internen Pressespiegel entfernen lassen.
Ministerpräsident Georg Milbradt hatte sich bereits am Sonntagabend über den Fall Weber informieren lassen. Trotz Zuratens von Vertrauten zögerte er vor einer sofortigen Reaktion. In politischen Kreisen fürchtet man die Sprengkraft des Bekanntwerdens weiterer Affären der belasteten sächsischen Ministerin.
Selbst ein formaljuristischer „Freispruch" für Weber könne keine politisch-moralische Entlastung sein und würde Milbradt selbst beschädigen, heißt es in CDU-Kreisen. Hier ist man auch darüber verärgert, dass seit Monaten nichts Konstruktives in Sachsen Sozialpolitik aus ihrem Hause kommt.
So hatte sich Weber, als es um die Vergabe von Kitaplätzen nach sozialen Kriterien ging, auffällig zurückgehalten. Insider gehen davon aus, dass man Weber maximal eine Schamfrist bis zum 2./3. Juli einräumen kann. Dann müsste sie als amtierende Vorsitzende der Konferenz der Gesundheitsminister der Länder eine Konferenz in Chemnitz leiten.
Die Opposition im Landtag hat inzwischen ihre Angriffe auf Weber verstärkt. „Offensichtlich muss man immer auf Skandale warten, bis fachlich überforderte Minister abgelöst werden", erneuerte SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Jurk seine Rücktrittsforderung. Weber sei schon aus fachlichen Gründen nicht mehr haltbar. Auch die PDS hat den Fall Weber entdeckt. Fraktionsvorsitzender Peter Porsch will die Regierung mit einem „dringlichen Antrag" dazu bewegen, dass auch anderen, von Regenwasserschäden Betroffenen, Fluthilfe gewährt wird. Zugleich hat er eine Debatte mit dem Thema „Die schwindende Leistungsfähigkeit des Kabinetts Milbradt und die Folgen für Sachsen" angemeldet.
(Hubert Kemper und Eva Prase)