Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 04.06.2003

Ansteckungsgefahr

Stützenhilfe für Weber kann Milbradts CDU ins Wanken bringen
 
Jetzt haben wir es schriftlich: Nicht die Ministerin, sondern der kleine Angestellte einer überforderten Aufbaubank ist Schuld. Die „liebe Christine Weber", wie sie von Kabinettskollege Horst Rasch angeschrieben wird, sei bei ihrem Fördermittelantrag nicht bevorzugt worden. Der Fehler für den Vorteil der Doppelverdienerin liegt bei der Bank, und deren Chef nimmt zerknirscht den schwarzen Peter auf sich.

Weber verdankt ihre Schonfrist auch dem Mangel an personellen Alternativen.

Ist damit der Fall Weber erledigt? Ganz im Gegenteil. Die sächsische Staatskanzlei scheint die Feinfühligkeit der Bevölkerung aus ihrer dickfelligen Sicht zu beurteilen, wenn sie mit ihrem faden Freispruch glaubt Konsequenzen aussitzen zu können. Bereits das Eingeständnis, dass Weber noch im April einen Nachschlag für ihre Kellersanierung beantragt hat, legt die Lunte für delikate Nachfragen. Kann sich die Sächsische Aufbaubank für den Oktober 2002 noch mit Antragsstapeln und rechtlichen Grauzonen bei der Definition desSchadensbegriffsherausreden, so hatte das Regierungsmitglied Weber spätestens seit dem 12. November 2002 darüber Kenntnis, dass ihr Hangwasser-Schaden nicht förderfähig war. Dennoch stellte sie Monate später erneut einen Antrag, der von der SAB genehmigt wurde.

Ministerpräsident Milbradt weiß, dass seine Sozialministerin politisch nicht mehr tragbar ist. Die Dreistigkeit, in der sie den Vorsprung von Informationen und den direkten Draht zu alten Parteifreunden nutzte, schadet dem Ansehen gerade ihres Amtes, aber auch der CDU. Webers Image bestätigen die jüngsten Affären. Das Zaudern des Regierungschefs, reinen Tisch zu machen, erklären allenfalls taktische Winkelzüge: Ein schneller Schnitt widerstrebt seiner menschlichen Rücksichtnahme. Das Trauma seiner eigenen Entlassung durch Kurt Biedenkopf mag eine Rolle dabei spielen, die fällige Ablösung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben zu wollen.

Doch der Skandal-Bazillus wütet weiter. Zu spät hat sich die Sozialministerin gestern entschlossen, die Fördermittel wieder zurückzuzahlen. Ihre Integrität und damit auch ihre Einwirkungskraft nach innen und außen sind nachhaltig geschwächt. Weber verdankt ihre Schonfrist auch dem Mangel an personellen Alternativen. Die Zwischenbilanz ihrer Amtszeit ist keine Ermutigung für politischen Nachwuchs. Auch das dürfte Georg Milbradt in seiner Doppelfunktion als Regierungsund Parteichef nachdenklich stimmen. Mit Ministern wie Weber wird er Land und Leute nicht für sich gewinnen.
(Kommentar von Hubert Kemper)