Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 04.06.2003

Die Ministerin und die Flut

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Es gehört zu den bekannten Ritualen der Politik, dass nach Katastrophen den Betroffenen sofortige und vor allem unbürokratische Hilfe versprochen wird. Meist stellt sich dann nach Monaten heraus, dass die Hilfe bestenfalls nach Bewältigung vieler bürokratischer Hürden und allemal nicht sofort gezahlt wurde. Nach der zerstörerischen Jahrhundertflut, die vor allem in Sachsen im vergangenen August große Schäden angerichtet m hat, war dies erfreulicherweise nicht so. Die für die Aufbauhilfe zuständige Sächsische Aufbaubank arbeitete Tag und Nacht. Nun hat sich herausgestellt, dass die Hilfe sogar so unbürokratisch war, dass einige in ihren Genuss kamen, die wohl eher kein Recht darauf hatten.

Vermutlich, so räumte jetzt der Chef der Aufbaubank ein, waren solche Entscheidungen ein Fehler. Pikant ist nur, dass zu den wenigen davon Begünstigten die sächsische CDU-Ministerin für Soziales, Christine Weber, zählte. Ihr Antrag wurde positiv beschieden – zwei Tage bevor generell geregelt wurde, dass in Fällen wie ihrem kein Anspruch auf Hilfe bestehe. Weber aber stellte Monate später noch einen Ergänzungsantrag und bekam erneut Geld, weil ja schon der erste Antrag bewilligt worden war. Da hätte sie wissen können, dass etliche Bürger in vergleichbarer Lage leer ausgingen.

Nun hat ihr der Kollege Innenminister zwar bestätigt, dass sie das Geld zu Recht erhalten habe. Auch wenn sie es zurückzahlen will: Die bizarre Affäre hat ein arges Gschmäckle – und wirft einen Schatten auf die politische Führungsstärke von Ministerpräsident Georg Milbradt. Er hätte seiner Ministerin besser geraten, sich offen den Fragen der Öffentlichkeit zu stellen – und die angemessenen Konsequenzen zu ziehen.
(jsc)