Karl Nolle, MdL
Leipziger Volkszeitung LVZ/DNN, 07.06.2003
Der Fall Weber beschäftigt jetzt den Staatsanwalt
Für die angeschlagene Sozialministerin wird die Luft damit endgültig dünn
Dresden. Abgeordnete haben ein Problem. Bis zu 2156 Euro im Monat erhalten sie derzeit für ihre Wahlkreismitarbeiter. Mit diesen können sie privat Arbeitsverträge abschließen, die Kosten übernimmt der Landtag. Einzige Bedingung laut interner Verordnung vom 6. Februar 2003: Die Mitarbeiter dürfen mit den Abgeordneten "nicht verwandt, verschwägert oder verheiratet" sein - ein klares Bezugsverbot bis hin "zum dritten Grade".
Das gilt generell, doch es gibt Ausnahmen, wie im Fall von Sozialministerin Christine Weber (CDU). Deren Tochter Katja hat ein kleines Zubrot bekommen: Die Sparkassenangestellte jobbt seit dem Jahr 2000 nebenbei bei der ehemaligen Landtags- und jetzigen Bundestagsabgeordneten Veronika Bellmann (CDU).
Das ist formalrechtlich nicht zu beanstanden, hat aber einen faden Beigeschmack: Bellmann ist bekennende Weber-Vertraute, kommt wie die Ministerin aus dem Westsächsischen. Vor allem aber ist auch ihre Verwandtschaft gut untergebracht - so ihr Neffe Christoph S. Der Student arbeitet ebenfalls seit Jahren nebenbei als Wahlkreismitarbeiter, und zwar auch im Dienste einer guten Freundin: Ministerin Weber.
Für Kritiker ist das unseriös. "Das riecht streng nach einem unlauteren Kreuzgeschäft", meint der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle. Die "gemeinsame kreative Nachbarschaftshilfe" hebele den Hintersinn der Landtagsbeschränkung aus: dass mit Staatsgeldern gute Bekannte oder Verwandte nicht bedient werden.
Bellmann sieht das anders. Die Anstellung sei keinesfalls "ein Austauschgeschäft". Als Mitarbeiter suche sie sich "Leute, denen ich vertrauen kann". Das sei bei der Weber-Tochter der Fall gewesen. Im Wahlkreisbüro freilich ist diese selten. Laut Bellmann-Mitarbeiter Falk Orgus betreibt die Weber-Tochter Literaturrecherche "von zu Hause aus". Grund:Sie hat einen 40-Stunden-Vollzeitjob in der Sparkasse Freiberg.
Für die angeschlagene Sozialministerin wird die Luft damit endgültig dünn. Nach zweifelhaften Fluthilfen und dubiosen Handy-Rechnungen hat sie längst den Rückhalt in den eigenen Reihen verloren. Mittlerweile gibt es nicht nur Kritik aus ihrem CDU-"Heimat"-Kreisverband Mittleres Erzgebirge, unter der Hand fordern selbst Landtagsabgeordnete ihren Rückzug. Darüber hinaus beschäftigt die Fluthilfe die Staatsanwaltschaft Chemnitz, der Bund der Steuerzahler verlangt den Rücktritt.
Für Regierungschef Milbradt (CDU) wird die Affäre Weber damit unkalkulierbar. Noch will er die Ressortchefin nicht fallen lassen, doch die Zeit drängt. Denn klar ist: Die Angeschlagene droht in ihrem Abwehrkampf zunehmend CDU-Leute zu belasten - und jetzt auch enge Milbradt-Vertraute wie Bellmann. Insider geben der Ministerin keine zwei Wochen mehr. Dagegen spricht jedoch eine Überlegung: Weber braucht ab dem heutigen Sonnabend noch 51 Tage bis zum Pensionsanspruch als Ministerin. Überlebt sie diese Frist, würde sie ab 55 Jahren rund 26 000 Euro pro Jahr erhalten.
(Von Jürgen Kochinke)