Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa/sn, 15:31 Uhr, 11.06.2003

PDS will Strafanzeige gegen Biedenkopf und Milbradt erstatten

 
Dresden (dpa/sn) - Die PDS hat zum Abschluss des Paunsdorf- Untersuchungsausschusses Strafanzeige gegen den früheren Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und den jetzigen Regierungschef Georg Milbradt (beide CDU) angekündigt. Die Anzeige solle wegen des Verdachts der Untreue, der Begünstigung sowie der Beihilfe zu Steuerhinterziehung erstattet werden, kündigte der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Landtagsfraktion, André Hahn, am Mittwoch in Dresden an.

Die CDU bezeichnete die angekündigten Strafanzeigen als «populistische Aktion», für die die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses keinerlei Anlass gäben. Der SPD-Obmann im Ausschuss, Karl Nolle, sagte, Paunsdorf sei ein klarer Fall von «Amigowirtschaft». Die Strafanzeigen der PDS gingen jedoch an der Realität in Sachsen vorbei, da «bislang noch jede Anzeige gegen ein Regierungsmitglied im Vorermittlungsverfahren beerdigt wurde».

Der Ausschuss untersuchte, ob Biedenkopf und andere Regierungsmitglieder die Mietkonditionen für einen Bürokomplex in Leipzig-Paunsdorf beeinflussten. Das Projekt war von dem mit Biedenkopf befreundeten Kölner Geschäftsmann Heinz Barth errichtet und an Behörden vermietet worden. Das auf Betreiben der PDS eingesetzte parlamentarische Gremium hatte im April 2000 seine Arbeit aufgenommen und wird in der nächsten Woche zu seiner letzten Sitzung zusammenkommen und den Abschlussbericht verabschieden.

Da der Ausschuss über keinerlei Sanktionsmöglichkeiten verfüge, müssten die notwendigen politischen und rechtlichen Konsequenzen auf andere Art und Weise gezogen werden, sagte Hahn. Die Strafanzeige solle voraussichtlich Mitte Juli bei der Staatsanwaltschaft Dresden oder Leipzig gestellt werden. Eine weitere Strafanzeige solle es wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Barth geben.

Nach Ansicht der PDS ist dem Freistaat im Zusammenhang mit dem Bau, der Anmietung und dem beabsichtigten Ankauf des Behördenzentrums in Leipzig-Paunsdorf ein Schaden zwischen 118 und 138 Millionen Euro entstanden. Dieser ergebe sich unter anderem aus einem völlig überhöhten Mietzins und der ungewöhnlich langen Laufzeit des Vertrages. Hauptnutznießer dieser «bislang größten bekannt gewordenen Verschwendung von Steuermitteln im Freistaat» sei Barth gewesen, sagte Hahn. Die politische Verantwortung für die Vorgänge um das Behördenzentrum habe in erster Linie beim damaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf und seinem früheren Finanzminister Milbradt gelegen.

Biedenkopf habe die Verhandlungen von Barth mit der Staatsregierung entscheidend bestimmt, sagte Hahn. Der zweite Mitschuldige an der Misere sei der damalige Finanzminister Milbradt. Obwohl es erhebliche Vorbehalte gegen konkrete Inhalte der Verträge gegeben habe, «agierte der Finanzminister stets als willfähriger Vollstrecker des Willens seines Kabinettschefs». Auch besteht aus Sicht der PDS kein Zweifel daran, dass auf Ermittlungsbehörden zum Teil massiver politischer Druck ausgeübt worden sei.

Der CDU-Obmann des Ausschusses, Lars Rohwer, sagte: «Für uns steht fest, dass dem Freistaat Sachsen bei der Anmietung des Behördenzentrums kein Schaden entstanden ist.» Auch habe es keinerlei unzulässige Einflussnahme seitens der Staatsregierung bei der Anmietung der Räume gegeben. Diese Einschätzung werde die CDU- Fraktion auch im Entwurf ihrer Bewertung im Abschlussbericht deutlich machen.
dpa am yysn hr