Karl Nolle, MdL
Agenturen, ddp-lsc, 16:45 Uhr, 11.06.2003
Die Paunsdorf-Millionen - Opposition sieht Vorwürfe gegen Ex-Regierung durch Untersuchungsausschuss bestätigt
Klage gegen Milbradt
Dresden (ddp-lsc). Für die CDU-Mehrheitsfraktion ist es die einfachste und normalste Sache der Welt - für die Opposition dagegen die größte Steuergeld-Verschwendung im Freistaat durch schwarzen Filz. Drei Jahre nach Einsetzung eines Landtagsuntersuchungsausschusses zum umstrittenen Behördenkomplex in Leipzig-Paunsdorf fühlen sich beide Seiten in ihren Ausgangshaltungen bestätigt, obwohl diese nicht unterschiedlicher sein könnten. Während die PDS nun einen Schaden für den Steuerzahler von mehr als 100 Millionen Euro errechnet hat und staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Regierungschef Georg Milbradt (CDU) für erforderlich hält, attestiert die CDU der Regierung eine reine Weste. Die Anmietung von Räumen des Bürozentrums sei völlig korrekt erfolgt.
Der Ausschuss war im Frühjahr 2000 von der Landtagsopposition durchgesetzt worden. Am nächsten Montag soll er zu seiner letzten Sitzung zusammenkommen. Angesichts der CDU-Mehrheit im Gremium gilt es als sicher, dass die entscheidende Frage, ob Regierungsmitglieder zum Nachteil des Freistaates Einfluss auf die Ansiedlung von Landesbehörden nahmen, im Abschlussbericht verneint wird.
Der Bürokomplex war Anfang der 90er Jahre durch einen mit Biedenkopf befreundeten Investor aus Köln errichtet worden. In der Kritik stehen unter anderem Miethöhe und Vertragskonditionen. Nach Angaben von PDS-Fraktionsgeschäftsführer André Hahn entstand dem Freistaat im Zusammenhang mit Bau, Anmietung und dem beabsichtigten Ankauf des Behördenzentrums ein Schaden von mindestens 118 Millionen Euro.
Verantwortlich dafür macht er unter anderem Ministerpräsident Milbradt und Amtsvorgänger Kurt Biedenkopf (CDU), denen der Ausschussvize Untreue zum Nachteil des Freistaates, Begünstigung sowie Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorwarf. Milbradt habe als damaliger Finanzminister bei der Gestaltung der Verträge «stets als willfähriger Vollstrecker des Willens» von Biedenkopf gehandelt. Gegen ihn und Biedenkopf werde die PDS Mitte Juli eine Strafanzeige stellen, kündigte Hahn an. Die Anwürfe könnten dann auch durch Unterlagen gestützt werden, was «einen wackeren Staatsanwalt» zu einem regulären Ermittlungsverfahren veranlassen müsste.
Mit dieser Hoffnung steht die PDS indes ziemlich allein. SPD-Ausschussobmann Karl Nolle jedenfalls unterstellte den Oppositionskollegen Realitätsferne. Bislang sei in Sachsen noch jede Anzeige gegen ein Regierungsmitglied im Vorermittlungsverfahren beerdigt worden. «Das wird leider wohl auch hier der Fall sein», fügte Nolle hinzu. Für ihn ist Paunsdorf ein «klarer Fall von Amigowirtschaft». Selbst wenn kein materieller Schaden entstanden sein sollte, sei von Seiten der Regierung unzulässig Einfluss genommen worden: ein Investor sei begünstigt worden, ohne dass es eine Ausschreibung gegeben habe und ohne dass Verwaltungsvorschriften eingehalten worden seien.
Dagegen betonte CDU-Obmann Lars Rohwer, die erhobenen Vorwürfe seien haltlos und dem Freistaat keine Nachteile entstanden. Dies habe die Beweisaufnahme im Ausschuss eindeutig gezeigt. Die Strafanzeigen der PDS gegen Milbradt und Biedenkopf seien eine «populistische Aktion». (Quellen: CDU, PDS und SPD in Pressemitteilungen; Hahn vor Journalisten in Dresden)
(Von ddp-Korrespondent Tino Moritz)
ddp/tmo/kfr