Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 19.06.2003

... aber dann

Kommentar von Hans Eggert
 
Erinnern Sie sich noch an diesen wunderbaren Song der „Gebrüder Blattschuß" über die „Kreuzberger Nächte", der Berlin-Kreuzberg erst wirklich berühmt gemacht hat: „Erst fang'se ganz langsam an, aber dann, aber dann"...? In Sachsen fangen politische Affären ganz langsam an. Aber dann. Zum Beispiel, als es zunächst nur um den Unterschied von privat und dienstlich verzehrten Wurstscheiben in der Residenz des Ministerpräsidenten ging. Am Ende ging der Ministerpräsident.

Auch die „Regenwasser-Affäre" fing langsam an - mit 15 000 Euro Fluthilfe, die die Ministerin Weber beantragt und formal-rechtlich gerade rechtzeitig empfangen hatte. Am Ende empfing Regierungschef Milbradt die Presse, um Webers Rücktrittsbrief zu verlesen. Ist der Song für dieses Mal abgesungen?

Nein, es schwingt weiter, das „Aber dann". Denn die Affäre offenbart unerwartete Schwächen Milbradts und der Sachsen-Union, eine Krise dieser Art zu bewältigen. Frau Weber konnte viel zu lange ihre ungelenken Verteidigungs-Ubungen vorführen. Sie hinterließ damit Entsetzen in den eigenen Reihen, bot peinliche Einblicke in den Intrigen-Alltag politischer Machtausübung - und beschädigte damit letztlich den Regierungschef.

Aber auch Milbradt selbst sorgte für Schaden: Indem er - erst nach der Erkrankung der Ministerin verständlich - die Entlassung scheute, setzte er sich dem schnell gestreuten Verdacht aus, seiner langjährigen Unterstützerin einen pensionsverschönten Abschied zu gönnen.

Eine böse Unterstellung, klar. Aber auch nachhaltig fatal für einen, der bislang mit Erfolg den Einruck vermittelte, Sauberkeit in der Politik durchsetzen zu wollen.

Doch damit nicht genug: Das langanhaltende Ende der Affäre Weber hätte wenigstens von einem Neuanfang begleitet werden müssen, der alle Zweifel an der Handlungsfähigkeit Milbradts übertönt. Gestern tönte nichts. Fehlt es der CDU mittlerweile an qualifiziertem Personal? Oder fehlt es ihr an der Bereitschaft, dem Ministerpräsidenten geschlossen zu folgen?

Was auch immer- Milbradt kann derzeit nur hoffen, dass die nächste ganz langsam anfangende Affäre lange ausbleibt.
(Hans Eggert)