Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 15: 24 Uhr, 20.06.2003
Landesvater stiehlt die Schau
Milbradt nutzt geplante Abrechnung der Landtagopposition zur Kritik an Metallerstreiks
Dresden (ddp-lsc). Eigentlich war ein heftiger Schlagabtausch zwischen Opposition und Staatsregierung geplant. Die aktuelle Landtagsdebatte zum Thema «Die schwindende Leistungsfähigkeit des Kabinetts Milbradt und die Folgen für Sachsen», die am Freitag auf Antrag der PDS-Fraktion auf der Tagesordnung stand und an der sich auch die SPD lebhaft beteiligte, sollte eine gehörige Kopfwäsche für das sächsische Kabinett werden. Nach dem Rücktritt von Sozialministerin Christine Weber (CDU) am Mittwoch war es in den Augen der Opposion erst recht an der Zeit für eine Abrechnung mit den Ressortchefs unter Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU).
Neben der jüngst ausgeschiedenen Sozialministerin standen Wirtschaftsminister Martin Gillo, Wissenschaftsminister Matthias Rößler, Innenminister Horst Rasch sowie Kultusminister Karl Mannsfeld (alle CDU) im Zentrum der Kritik. PDS-Fraktionschef Peter Porsch nutzte seine Redezeit, um Gillo Strategielosikeit und Rößler die Zerrütung des sächsischen Bildungssystems anzulasten. Und Mannsfeld scheitere schon daran, angemessene Abiturprüfungen zu formulieren, kritisierte Porsch in Anspielung auf den Streit um diesjährigen Reifeprüfungen im Fach Mathematik.
Auch Rasch wurde nicht verschont. So warfen ihm SPD und PDS in der rund zweistündigen, zum Teil recht polemischen Debatte vor, nach den Verfehlungen während der Flutkatastrophe nun auch sicherheitspolitisch im Fall der Kofferbombe am Dresdner Hauptbahnhof versagt zu haben. SPD-Fraktonschef Thomas Jurk hielt Milbradt zudem fehlendes Führungsgespür vor und kritisierte, dass sich seine Regierung vom Filz der kleinen CDU-Lokalsfürsten in den Städten und Landkreisen die Hände binden lasse. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle bezeichntet die Vorwürfe dagegen als neuerlichen populistischen Vorstroß der Opposition und regte zu einer Debatte zum Thema «Die wachsende Bedeutungslosigkeit der PDS und die positiven Folgen für Sachsen» an.
Doch dann schritt Milbradt ans Mikrofon, der den Redebeiträgen eher gelangweilt gelauscht hatte, und nutzte die Gelegenheit für das aus seiner Sicht viel wichtigere Thema für Sachsen, den Arbeitsmarkt. Vor allem kritisierte er die anhaltenden Streiks in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie, mit denen die Arbeitnehmer der Branche bereits seit fast drei Wochen auf eine Einführung kürzerer Arbeitszeiten drängen.
Der Arbeitskampf könne der Anfang vom Ende des Aufbaus Ost sein, warnte der Ministerpräsident. Eine 35-Stunden-Woche werde die Ansiedelung von Investoren stoppen und sie andere Regionen vertreiben. Der Osten müsse sich daher nicht am Westen orientieren, sondern umgekehrt. Derzeit werde dagegen versucht, die schlechten Bedingungen aus den alten Ländern in die neuen zu importieren.
Die Kritik an seinem Kabinett konterte Milbradt dagegen vergleichsweise bündig. Die Opposition habe im Umgang mit der Ministerin Weber keinen Takt gezeigt, das Bildungssystem in Sachsen gehören deutschlandweit zu den besten und die sicherheitspolitischen Verfehlungen im Fall der Dresdner Kofferbombe seien nicht dem Freistaat, sondern dem Bundesgrenzschutz (BGS) anzukreiden. Dieser sei schließlich für die Sicherung der Bahnhöfe zuständig.
(Quellen: alle im Dresdner Landtag)
ddp/ape/roy