Karl Nolle, MdL

MDR Fernsehen Nachrichten-Magzin EXAKT vom 12.08.03, 20:15 Uhr, 13.08.2003

Wurde Sachsenring getäuscht? Ein Fax, dass eigentlich so nie ankommen sollte.

320 Mio DM, die nicht genehmigt waren und testierte Bilanzen, die die fehlende Genehmigung nicht enthielten
 
(Manuskript des Beitrags)

Zwickau am 3. September 1999. Das Büro des Vorstandsvorsitzenden der Sachsenring AG. Ein Fax kommt an, das hier eigentlich so nie ankommen sollte. Der Absender ist das sächsische Wirtschaftsministerium. Was der Sachsenringchef Rittinghaus jetzt plötzlich in den Händen hält, ist hoch brisant.

O-Ton Ulf Rittinghaus:

"Mit diesem Fax wurde mir schlagartig klar, dass der Freistaat Sachsen uns über die Altlasten des Unternehmens – finanzieller Natur - ein Dreivierteljahr zuvor arglistig getäuscht hatte."

Was war passiert? Im Dezember '98 hatte die Sachsenring AG das konkursreife Dresdner Unternehmen ZMD vom Freistaat Sachsen gekauft. Doch bei den Verkaufsverhandlungen soll der Freistaat verschwiegen haben, dass bereits 320 Millionen Mark an verschiedenen Fördermitteln ungenehmigt in das Unternehmen gepumpt worden sind.

Davon waren zwei Drittel EU-rechtswidrig, weil unangemeldet geflossen, wie der "exakt" vorliegende Beihilfebescheid ausführt:

"Die Kommission bedauert, dass die Bundesrepublik Deutschland die Beihilfe unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 gewährt hat."
Aus dem Beihilfebescheid der EU-Kommission

Eine tickende Zeitbombe. Denn im schlimmsten Fall muss die ZMD das Geld zurückzahlen und ist dadurch nicht nur selbst Pleite, sondern reißt auch noch die Sachsenring AG mit 2000 Beschäftigten in den Abgrund. Ein Risiko, das dem Käufer, also der Sachsenring AG, einfach verschwiegen worden sein soll.

O-Ton Dr. Jochen Leonhardt, Wirtschaftsprüfer, Vizepräsident Bundesverband Mittelständische Wirtschaft:

"Wenn Fördermittel in Größenordnung von 320 Millionen ungenehmigt gewährt worden sind und dies dem Käufer nicht bekannt wurde, ist es sehr sehr unseriös und gehört nicht in Verkaufsverhandlungen zwischen öffentliche Verkäufer oder überhaupt Verkäufer wie die Treuhandanstalt und ihre Käufer."

Der damals zuständige Wirtschaftsminister Kajo Schommer weist den Vorwurf, dass die Altlasten verschwiegen worden sind, zurück.

O-Ton Kajo Schommer, CDU, bis April 2002 sächsischer Wirtschaftsminister Sachsens (am 13.11.2002):

"In den Verhandlungen ist den Brüdern Rittinghaus nichts verschwiegen worden. Das, was zu verhandeln war, ist offen diskutiert worden. Welche Zahl jetzt im Einzelnen gesagt oder nicht gesagt worden ist, entzieht sich meiner Erinnerung."

Doch der Vorwurf verschwiegener Altlasten wird jetzt von allen drei im Untersuchungsausschuss des Landtags als Zeugen vernommenen ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern der Sachsenring bestätigt.

Während dieser Sitzung darf nicht gedreht werden, aber "exakt" liegt das vertrauliche Protokoll vor. So sagt z.B. der ehemalige VW-Chef Carl Hahn auf die Frage, wann er von den 320 Millionen Mark Altbeihilfen erfahren habe:

"Das habe ich erst erfahren, nachdem wir uns aus dem Internet diesen Bericht der EU besorgt hatten. In diesen Tagen."

Wichtig sind die verschwiegenen Altbeihilfen für die ZMD vor allem aus folgendem Grund. Die EU-Genehmigung – auch für neue Fördermittel -zieht sich nun über sage und schreibe 40 Monate hin, weil die EU die bereits gezahlten 320 Millionen erst prüfen muss, bevor sie sie schließlich genehmigt. In dieser Zeit bricht das Finanzierungskonzept der Firma zusammen.

"exakt" fragt im Wirtschaftsministerium nach, erhält aber nur die Antwort, dass man sich nicht äußere, solange im Landtag ein Untersuchungsausschuss laufe.

In diesem Untersuchungsausschuss sitzt für die Opposition auch der Unternehmer Karl Nolle. Er weiß, was es bedeutet, wenn die einem Unternehmen zugesagten Gelder sich immer weiter verzögern und er kennt die Unterlagen der Sachsenring AG:

O-Ton Karl Nolle, SPD, sächsischer Landtagsabgeordneter und "Affärenjäger":

"Also dass das Unternehmen fast 40 Monate auf die zugesagten Genehmigungen warten musste, hat mit Sicherheit das Unternehmen zum Straucheln gebracht, denn solange die Genehmigungen nicht da waren, haben die Banken dicht gemacht und letztendlich war das der wesentliche Grund für die Insolvenz, meiner Meinung nach."

Ähnlich sieht es offensichtlich auch der ehemalige VW-Chef Hahn vor dem Untersuchungsausschuss. Er spricht von einem Insolvenzrisiko durch die fehlende EU-Genehmigung.

Was unter dem Strich bleibt, ist, dass sich aufgrund der finanziellen Altlasten die EU-Genehmigung mehr als drei Jahre hinzieht. In dieser Zeit werden der Sachsenring AG Mittel und Kredite gekürzt, so dass sich der finanzielle Kollaps anbahnt.

Weil am Anfang der verhängnisvollen Kette die verschwiegenen Altlasten standen, hat Ulf Rittinghaus die Treuhänder des Freistaates jetzt auf Schadenersatz verklagt.
(Redakteur Frank Sonntag)
Vollständiger Text der Strafanzeige zum Runterladen.