Karl Nolle, MdL

ND - Neues Deutschland, 13.09.2003

Nolle legt Nerven bei der CDU blank

SPD-Abgeordneter spricht vom »schwarzen Filz«
 
Sachsens Ein-Mann-Frontalopposition Karl Nolle von der SPD hat wieder einmal Presse. Diesmal sorgte die CDU im Landtag für Schlagzeilen rund um den Abgeordneten.

»Die haben genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen wollten!« Karl Nolles 120 Kilogramm thronten nach der gestrigen Debatte um seine Person fester denn je auf dem viel zu kleinen Abgeordnetensessel. »Die«, das sind seine Lieblingsfeinde von der CDU-Fraktion, die in Sachsens Landtag eine aktuelle Stunde zu Nolles Auftritt bei einer Bürgerversammlung im Landkreis Stollberg durchgesetzt hatten.

Nolle soll sich nach CDU-Ansicht als Investorenschreck erwiesen haben, weil er die Rechtmäßigkeit eines Grundstückverkaufs der Stadt Stollberg an die VW Mechatronik anzweifelt. Auf einen Teil der Baufläche des Gemeinschaftsunternehmens von Siemens und VW wird noch ein Rückgabeanspruch erhoben. Das Landratsamt genehmigte den Verkauf trotz noch nicht entschiedener Klage. Das ist rechtlich zulässig, wenn der Anspruch nach geltender Rechtsprechung über Enteignungen unter sowjetischer Besatzung offensichtlich unbegründet ist.

Gibt es ein Stollberger Landrecht?

Nolle interpretierte das Verfahren einmal mehr als Indiz für »schwarzen Filz« in Sachsen und sprach vom »Stollberger Landrecht«. Schon bei diesem Wortbild platzte der örtlichen CDU-Landtagsabgeordneten Uta Windisch der Kragen. Und der CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle aus dem benachbarten Wahlkreis verglich sich und den Wutausbruch seiner Fraktion sogar mit dem des Fußball-Teamchefs Rudi Völler. 700 Arbeitsplätze verspricht VW, da haben alle Bedenken zu schweigen. Das sächsische Muster lautet: »Lieber Filz als Zustände wie in den SPD-regierten ostdeutschen Bundesländern«, so Hähle.

Der Delinquent Nolle hatte schon Tage vor der Debatte seine Vorfreude auf den »Ritterschlag« in der Lokalpresse kundgetan. Diebisch freut sich Nolle nun, dass die CDU in ihre selbst gestellte Falle getappt ist. Denn seit jener denkwürdigen Sitzung vom 24.Oktober 1991, als es um stasibelastete Abgeordnete ging, ist der Landtag nicht mehr zum Tribunal über ein Mitglied des Hauses gemacht worden. Auch in der CDU-Fraktion gab es Vorbehalte gegen die Debatte. Erwartungsgemäß ging es in der nur knapp halbstündigen Auseinandersetzung dann auch nicht um die Sache, sondern um den »direkten Angriff auf die verbrieften Rechte der frei gewählten Abgeordneten«, so Gisela Schwarz als parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion. Die Fraktion lässt sich »so etwas nicht bieten«, wie es intern hieß, und steht nun geschlossener hinter Nolle, als der das sonst gewohnt ist.

Nach wie vor ist die SPD-Landtagsfraktion mehrheitlich von eher kompromissbereiten und harmonieliebenden Abgeordneten geprägt. Karl Nolle aber provoziert ständig und um jeden Preis. Am Sturz Kurt Biedenkopfs oder jüngst der Sozialministerin Christine Weber (beide CDU) war er als ein stets durch unzufriedene CDU-Kreise gut informierter Mann maßgeblich beteiligt.

Geprägt von Allüren der Alleinherrschaft

Was nicht heißt, dass man alles glauben sollte, was der SPD-Abgeordnete verbreitet. An journalistische Grundregeln der Gegenrecherche muss Politiker Nolle sich nicht halten. Grotesk nur, dass ihm ausgerechnet Fritz Hähle unter Anspielung auf Nolles westdeutsche Herkunft einen Anschlag auf die politische Kultur vorwarf. Hat doch die sächsische Union gerade unter dem Einfluss Kurt Biedenkopfs beizeiten jegliches konsensuale Denken aus den Wendezeiten den Allüren der Alleinherrschaft geopfert.
(Von Michael Bartsch)