Karl Nolle, MdL

LVZ-Muldentaler Kreiszeitung,, 27.09.2003

Weniger Bürokratie im Blick SPD lud zur Diskussion über Bevölkerungsentwicklung im Freistaat

 
COLDITZ. "Die Probleme von morgen müssen wir heute anpacken" ist einer der Leitsätze von Karl Nolle. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion lud am Donnerstag gemeinsam mit Henning Homann vom SPD-Unterbezirk Nordsachsen zum einem Podiumsgespräch über die Bevölkerungsentwicklung nach Colditz ein.

Für handfestes Zahlenmaterial sorgte Gabriele Köster vom Statistischen Landesamt. Sie zeigte anhand neuester Erhebungen, dass die Sachsen scheinbar unaufhaltsam weniger werden.

Auskömmliche Arbeit fehlt

"Das ist keine Kaffeesatzleserei, wir wissen genau, wie viele 30-Jährige wir künftig haben werden", so Karl Nolle. Doch Jammern sei nicht sein Ding, man müsse die Leute zum Hierbleiben und zur Familiengründung animieren. "Was bei uns fehlt, ist in erster Linie auskömmliche Arbeit", so Nolle, der als einzigster Unternehmer im Landtag sitzt. "Niedrige Löhne sind nicht unbedingt ein Standortvorteil - denn so wandern noch mehr Leute ab." Lösungen sieht er unter anderem auch in einer Stärkung des Mittelstandes, dort gäbe es die meisten Arbeitsplätze. Hier sei eine neue Förderpolitik gefragt. "Bisher wurde hauptsächlich in Eisen und Beton investiert. Doch Geld muss auch in die `weichen Faktoren' fließen." Was heißt das? "Unsere Unternehmen verkaufen nicht wenig, weil die Produkte schlecht sind, sondern weil die Märkte schwer zu erschließen sind." Helfen könnten da u. a. Exportbürgschaften.

Nolle: "Auch weniger Bürokratie ist wichtig - wie beim Thema schlechte Zahlungsmoral." Einer der Gäste nannte ein Beispiel: "Meine Frau arbeitet bei einem Klempnermeister. Sie muss ständig zum Gericht, um Mahnbescheide einzureichen." Nolle kennt das Problem: "Bis der Gerichtsvollzieher endlich losgeht, vergehen oft mehr als zwei Jahre." Die derzeit noch unverschämt langen gerichtlichen Verfahren müssten beschleunigt werden, so Nolle. Leider gehöre eine Verschleppung der Bezahlung auch bei großen Firmen oft zur bewussten Geschäftspolitik.

Schule ist gefordert

Problematisch sei auch das oft fehlende Interesse der Jugendlichen für industrielle Berufe. "Schon in der Schule müsste das geweckt werden", fordert Nolle. Dort müsse sich noch viel mehr tun: "Ich hatte in meiner Firma einen Eignungstest für Lehrlinge organisiert. Der Beste fand von 93 falsch geschriebenen Wörtern keine 50 heraus". Das sei bezeichnend für die aktuelle Bildungspolitik.

Aus der Statistik: Fehlende Geburten

Sachsen verlor von 1990 bis 2000 11,5 Prozent seiner Bevölkerung, insgesamt 570 000 Menschen. Hauptgrund sind fehlende Geburten: Drei Fünftel gehen auf das Defizit an Neugeborenen zurück, die anderen zwei Fünftel auf Wegzüge. Der Muldentalkreis kann für die Jahre 1990 bis 2002 jedoch auf ein Plus von 4800 Einwohnern (0,6 Prozent) verweisen. Ein krasser Gegensatz dazu ist die Stadt Colditz, die zur gleichen Zeit 1300 Einwohner (19,2 Prozent) verlor.

Für die nächsten Jahrzehnte ist keine Entschärfung in Sicht: Durch die fehlenden jungen Leute fehlen zukünftig auch Eltern, die Bevölkerungszahl wird deshalb weiter sinken. Zudem haben Weggezogene oft wenig Lust auf Rückkehr: Grund sind vor allem die in den alten Ländern wesentlich höheren Löhne.

Analyse und Lösung: Karl Nolle (stehend) legt seine Sicht auf Ursachen der Bevölkerungsentwicklung dar. Text und Foto: Bert Endruszeit